Die Büropreise in London könnten in den kommenden drei Jahren um bis zu 20 Prozent sinken. Nach dem Austritt des Landes aus der Europäischen Union drohten Belastungen durch Umzüge von Firmen und die stagnierende Wirtschaft, erklärt Green Street Advisors gegenüber Bloomberg News. "Neuvermietungen werden sich dramatisch abschwächen", sagte Hemant Kotak, Analyst des Londoner Researchunternehmens. Der Wert von Einzelhandelsimmobilien im ganzen Land könnte um 10 bis 15 Prozent sinken.

Auch für Immobilienfonds-Anleger könnte die Lage unangenehm werden. Branchenbeobachter schätzen, dass etwa zehn Prozent oder umgerechnet acht Milliarden Euro der in offenen Portfolios geparkten Gelder allein in britischen Immobilien stecken.

Problem Nummer Eins: Der massive Absturz des britischen Pfunds drückt auf die Anteilspreise der Fonds. Denn die in Pfund bewerteten Gebäude sind in Euro, der Währung der offenen Immobilienfonds, nun weniger wert. Problem Nummer Zwei: Nach dem Brexit könnten viele Unternehmen, vor allem solche aus der Finanzbranche, der britischen Insel den Rücken zukehren und in den Großstädten, vor allem in London, leere Büroräume hinterlassen. Um Nachmieter zu finden, müssten Eigentümer die sehr hohen Preise senken – was den Wertansätzen der Fondsimmobilien ebenfalls abträglich sein dürfte.

Frühzeitige Warnungen
Schon Anfang Juni riefen die Marktbeobachter von Scope den Immofonds-Geldgebern in Erinnerung, dass das Vereinigte Königreich nach Deutschland und Frankreich der drittwichtigste Investitionsmarkt in Europa sei. Vor allem die britische Hauptstadt steht bei Immobilienfonds weit oben auf der Einkaufsliste. Rund 80 Prozent des UK-Anteils von offenen Immobilienfonds entfallen auf Londoner Objekte. 

Bereits im Vorfeld des Referendums hatte sich am UK-Immobilienmarkt Zurückhaltung breit gemacht. Investitionen in britische Gewerbeimmobilien gingen im Vorfeld um die Hälfte zurück. Als Folge stiegen die Leerstände, und die Preise sanken. Investitionen in Büros, Läden und andere Gewerbeimmobilien kamen von Januar bis Ende Mai 2016 nur auf 16,9 Milliarden Pfund. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres hatten sie noch einen Rekordstand von 33 Milliarden Pfund erreicht, wie aus Daten von Real Capital Analytics hervorgeht.

"Wir sind am Beginn einer Phase erhöhter Unsicherheit, die sich weder genau bestimmen noch quantifizieren lässt", sagt Adrian Benedict, Investmentchef für Immobilien bei Fidelity International. "Es wird wohl mehrere Jahre dauern, bis man die Auswirkungen ganz begreift."

Umzugskartons stehen schon bereit
Bislang ist London Europas bedeutendster Investmentbanking-Standort. Banken mit entsprechenden Handelsaktivitäten könnten allerdings gezwungen sein, einige Mitarbeiter an andere Orte in der EU zu verlegen, wie Patrick Scanlon, Partner bei Knight Frank, anmerkt. Deutsche Bank und HSBC Holdings hatten im Vorfeld des Referendums bereits die Möglichkeit erwähnt, bei einem Austritt Personal aufs europäische Festland zu verlagern. Die größte US-Bank J.P. Morgan Chase & Co. hält den Umzug von bis zu einem Viertel ihrer 16.000 Mitarbeiter in London für möglich.

Die Auswirkungen werden nach Ansicht von Benedict nicht nur in der Hauptstadt zu spüren sein, sondern das ganze Land erfassen. "Bournemouth zum Beispiel hat einen der höchsten Anteile von Menschen, die im Finanzdienstleistungssektor beschäftigt sind. Es wäre daher naiv zu denken, der Einfluss sei auf London beschränkt." Rund 340.000 EU-Bürger arbeiten derzeit in der britischen Finanzindustrie. Das sind rund 18 Prozent der Kontinentaleuropäer, die in Großbritannien tätig sind, wie aus Daten der Universität Oxford hervorgeht.

Einige Investoren warten auf günstigen Einstieg
Doch keine Krise ohne Chance. John Carrafiell, Mitgründer von Green Oak Real Estate, macht außergewöhnliche Gelegenheiten für Investoren aus, die sich bislang zurückgehalten haben. "Dies schafft eine kurzfristige Einstiegschance, da Verkäufer unter Risiko- und Allokationsgesichtspunkten zum Ausstieg aus Großbritannien gezwungen sind und somit verkaufen müssen."

Nicht wenige Investoren stehen in den Startlöchern. Nach Angaben von Savills sind die Käufe von Büros im Londoner Zentrum im ersten Quartal um 21 Prozent gefallen und haben den niedrigsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Internationale Investoren, die traditionell zwei Drittel der Käufer ausmachen, hatten Transaktionen bis nach dem Referendum verschoben. (aa/ps)