Im Juli vergangenen Jahres hat der Gesetzgeber der Bafin eine neue Aufgabe in ihre Statuten geschrieben: den "kollektiven Verbraucherschutz". Das klingt einigermaßen schwammig, zumal der individuelle Verbraucherschutz eine Sache der Gerichte und Ombudsstellen bleibt. Eine einzelne Fehlberatung ist also kein Thema für die Bonner Behörde. Sobald es um Hunderte Fälle geht, ist die Finanzaufsicht aber sehr wohl gefordert.

Wie dieser kollektive Verbraucherschutz konkret aussehen kann, lässt sich an der jüngsten Untersuchung erkennen, die die Bafin nun gestartet hat: Sie nimmt sogenannte Bonitätsanleihen ins Visier – ein Segment des Zertifikatemarktes, das in den vergangenen Jahren aus der Nische herausgewachsen ist. Eine Umfrage unter Emittenten und Banken soll klären, "inwieweit Bonitätsanleihen aktiv auch an Privatkunden vertrieben werden und ob diese ausreichend über die Risiken aufgeklärt werden", wie es in einer Pressemeldung des Instituts heißt (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Das Risiko ist real
Bonitätsanleihen sind kritischen Beobachtern seit langem ein Dorn im Auge. Die Papiere bieten eine vergleichsweise hohe Rendite – aber nur, solange es bei keinem der unterliegenden Unternehmen oder Staaten zu einem "Kreditereignis", etwa einer Insolvenz oder Umschuldung, kommt. Es gibt zahlreiche Bonitätsanleihen, die sich auf mehrere Firmen aus unterschiedlichen Branchen beziehen. Für unbedarfte Privatanleger klingt das nach Risikostreuung, doch das Gegenteil ist der Fall: Die Verlustwahrscheinlichkeit liegt deutlich höher als bei einer normalen Anleihe.

Ein aktuelles Beispiel: Die Deka bietet derzeit eine "Multi-Bonitätsanleihe" zur Zeichnung an, die bis Januar 2022 läuft und 2,1 Prozent Kupon bietet. Die erhoffte Rendite erhalten Anleger aber nur, wenn es weder bei Lufthansa noch Heidelberg-Cement, Metro, Vodafone oder Volkswagen zu einem Kreditereignis kommt. Eine Wette auf die Bonität von fünf Unternehmen, nur um gut zwei Prozent jährliche Rendite auf Sicht von fast sechs Jahren zu bekommen? Um es höflich zu formulieren: Die Zahl der Privatkunden, für die dieses Produkt tatsächlich genau das richtige ist, dürfte begrenzt sein.

Das Risiko ist nicht nur theoretischer Natur: Es kam in der Vergangenheit immer mal wieder zu Ausfällen bei solchen Papieren – etwa, als Griechenland ins Straucheln geriet. Das Land war Referenzschuldner in bonitätsabhängigen Anleihen der LBBW und der DZ Bank. Spätestens damals hätte die Branche erkennen können, dass Kreditverbriefungen nur in Ausnahmefällen etwas in Privatanlegerdepots zu suchen haben. Stattdessen hat sich das Volumen zuletzt deutlich erhöht: Zahlen des Deutschen Derivate Verbandes zufolge waren Ende vergangenen Jahres 5,7 Milliarden Euro in solche Papiere investiert, satte 1,5 Milliarden Euro mehr als zwölf Monate zuvor. Schuld ist wohl das Niedrigzinsumfeld, das Privatanleger auf der Suche nach Rendite so manches Risiko verkennen lässt.

Ein Warnhinweis wäre gerechtfertigt
Die beiden führenden Anbieter von Bonitätsanleihen sind die LBBW mit 2,6 und die Deka mit 1,7 Milliarden Euro. Man darf also mit einigem Recht vermuten, dass ein guter Teil dieser Papiere in den Depots von Sparkassenkunden liegt. Angesichts dieser großen Zielgruppe ist es gerechtfertigt, den Bafin-Vorstoß tatsächlich als kollektiven Verbraucherschutz zu bezeichnen.

Die Behörde will ihre Untersuchung bis Ende 2016 abgeschlossen haben. Findet sie ihre Bedenken bestätigt, steht ihr ein breites Instrumentarium zur Verfügung – bis hin zum Produktverbot. Realistischer ist allerdings, dass die Bafin die Werbung einschränken oder zusätzliche Warnhinweise fordern wird. Bei Bonitätsanleihen wäre ein solcher Schritt durchaus gerechtfertigt.