Die sehr wahrscheinliche Verzögerung der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II um ein Jahr bringt Banken, aber auch Fondgesellschaften in die Bredouille. Die Richtlinie ist mit einer Reihe anderer Regulierungsmaßnahmen verknüpft, sodass die Gesellschaften im IT-Bereich große Planungsprobleme bekommen werden oder schon längst haben. Inklusive damit verbundener hoher Kosten, da Ressourcen nicht optimal nutzbar sind und Mitarbeiter-Kapazitäten für andere Projekte fehlen. Darauf macht die auf Finanzdienstleister spezialisierte Unternehmensberatung Cofinpro in einem Artikel aufmerksam, den das Branchenportal "IT Finanzmagazin" veröffentlichte.

Als Beispiel für die komplexe Verzahnung der Regulierungsmaßnahmen verweist Cofinpro auf die neuen Regeln zur Verhinderung von Marktmissbrauch (MAD II/ MAR), die zu einem großen Teil auf Mifid II-Definitionen basieren. Gleiches gelte für die Verordnung über die Meldung und Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (SFTR) und die EU-Anlegerinformations-Verordnung ("Packaged Retail and Insurance-based Investment Products", kurz: PRIIP), welche die Einführung von einheitlichen Basisinformationsblättern für verpackte Anlageprodukte vorsieht.

Im Wertpapierbereich arbeiten zudem viele Institute parallel zur Umsetzung von Mifid II und PRIIPs noch an diversen weiteren Projekten, wie beispielsweise einer Migration auf Standardsysteme oder andere Systemwechsel. Die Planung zu Mifid II war mit diesen Projekten bereits verzahnt, und es wurden entsprechende Zeitpläne für den Start Anfang Januar 2017 erstellt. "Nun müssen die Institute umplanen", so Cofinpro.

Traumkonstellation für Fintechs
Die Cofinpro-Autoren führen weiter aus, dass die Unternehmen durch die Verzögerung zwar mehr Zeit gewönnen. Andererseits würden durch die Verzögerungen hohe Zusatzkosten, denen kein unmittelbarer Mehrertrag gegenübersteht, da Releaseplanung und externer Unterstützungsbedarf angepasst werden müssen. Außerdem seien so eine verlässliche Budget-, Release- und Projektplanung nicht mehr möglich. Dies habe Auswirkungen auch auf andere Projekte: Denn trotz der unklaren Vorgaben mussten die Firmen Pufferpositionen in den Projekt- und Releaseplanungen beispielsweise für Mifid II und PRIIPs einstellen – auf Kosten innovativer Vorhaben, die erst einmal auf Eis gelegt wurden. "Zeit und Geld für wichtige Digitalisierungsprojekte werden durch permanente Änderungen der Regulierungsvorhaben noch knapper – und die Vielzahl der bislang unregulierten Fintechs kann sich die Hände reiben", heißt es in dem Artikel im "IT Fachmagazin".

Bundeskabinett beschließt nationale Umsetzung von PRIIP
Der deutsche Fondsverband BVI hatte aufgrund der engen inhaltlichen Verknüpfungen zwischen Mifid II und PRIIP bereits Ende vergangenen Jahres gefordert, den Start von letzterer ebenfalls um ein Jahr nach hinten zu schieben. Daraus wird aber wohl nichts, das Bundeskabinett hat am 6. Januar 2016 den Regierungsentwurf eines Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes beschlossen. Dieses betrifft unter anderem die oben genannten Regelungen gegen Marktmissbrauch und die PRIIP-Verordnung, wie das Bundesfinanzministerium (BMF) meldet.

Das Ministerium bestätigte dabei offiziell, dass Mifid II nach Planungen der Europäischen Kommission um ein Jahr vom 3. Januar 2017 auf den 3. Januar 2018 verschoben werden soll. Daher werde die Umsetzung der Richtlinie und die Verankerung der Finanzmarktverordnung im deutschen Recht wird zu einem späteren Zeitpunkt durch ein Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz vorgenommen. (jb)