Die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II bringt eine Verschärfung des Begriffs "Anlageberatung" mit sich, was Folgen für das Tagesgeschäft von unabhängigen Finanzberater und Banken haben dürfte. Auch die Anbieter von Robo-Berater-Lösungen, die eine automatisierte Anlageberatung erbringen, müssen sich auf neue Vorgaben einstellen.

Enthalten sind diese Regeln in einigen sogenannten delegierten Rechtsakten zur Mifid II, die die EU-Kommission nun veröffentlicht hat. Die Parlamente der Mitgliedstaaten müssen diese Aspekte bis kommenden Sommer in nationales Recht gießen – viel Spielraum bei der Ausgestaltung bleibt ihnen dabei nicht. In Kraft treten die Regeln dann im Januar 2018.

Eine E-Mail könnte künftig als Anlageberatung gelten
Die Definition der Anlageberatung bleibt zwar weitgehend unverändert, wie der Münchener Rechtsanwalt Christian Waigel in einer ersten Analyse der delegierten Rechtsakte schreibt. "Eine Anlageberatung wird weiterhin nur erbracht, wenn eine persönliche Empfehlung an einen Anleger gegeben wird und die Empfehlung als für ihn geeignet dargestellt wird oder auf eine Prüfung seiner persönlichen Verhältnisse gestützt ist."

Eine wichtige Verschärfung gebe es jedoch, so Waigel: "Galt nach Mifid I eine Empfehlung nicht als persönliche Empfehlung, wenn sie über sogenannte 'öffentliche Verbreitungskanäle' erteilt wurde, so wird diese Ausnahme nun enger gezogen. Die Nutzung eines 'öffentlichen Verbreitungskanals' schützt nicht mehr automatisch davor, in die Anlageberatung zu rutschen." Vielmehr gelte die Empfehlung nur dann nicht als persönliche Empfehlung, wenn sie "ausschließlich für die Öffentlichkeit" gegeben wird.

"Rund-E-Mails oder sonst elektronisch verbreitete Newsletter und Börsenbriefe können daher eine Anlageberatung sein, ihre Verbreitung über 'öffentliche Verbreitungskanäle' schließt eine Anlageberatung nicht aus", so Waigel. Auch eine individuelle E-Mail an einen Bestandskunden dürfte künftig eher als Anlageberatung zu werten sein, als das derzeit der Fall ist. "Notwendig wird sein, diese Informationen mindestens auf der Homepage zu verbreiten, damit sie sich 'ausschließlich' an die Öffentlichkeit richten."

Auch für Robo-Berater gelten alle aufsichtsrechtlichen Pflichten
Eine wichtige Klarstellung enthält der delegierte Rechtsakt zum Thema Robo-Beratung. "Die aufsichtsrechtlichen Pflichten liegen gesamt bei demjenigen, der den Roboadvice anbietet", betont Waigel. "Er kann sich nicht hinter einem elektronischen System oder einem Algorithmus verstecken. Vielmehr obliegt ihm das gesamte Spektrum der aufsichtsrechtlichen Pflichten." Dazu zählen unter anderem das Einholen der Kundeninformationen und die Geeignetheitsprüfung. Der Anbieter könne seine Verantwortung nicht auf den Einsatz eines elektronischen Systems beschränken, so der Rechtsanwalt.

Das könnte einen Paradigmenwechsel für viele Modelle der automatisierten Anlageberatung bedeuten, wie sie heute beispielsweise in Deutschland üblich sind. Bislang lotsen die Anbieter interessierte Anleger meistens in Musterportfolios mit unterschiedlich hoher Aktienquote. Mit der Argumentation, sie böten keine Anlageberatung, sondern nur eine -vermittlung an, umgehen sie beispielsweise das Erstellen eines Beratungsprotokolls. Ob die Robo-Berater diese Argumentation mit Blick auf die künftig verschärften Regeln aufrechterhalten können, darf als fraglich gelten. (bm)