Die Währungskrise der Schwellenländer  1997-1998 breitete sich von Thailand über Asien aus und erschütterte dann Brasilien und Russland. Sie führte zum Zusammenbruch des Hedgefonds Long-Term Capital Management, wobei Schlimmeres nur durch eine von der US-Notenbank arrangierte konzertierte Rettungsaktion verhindert wurde. Stephen Jen, Zinsstratege bei Morgan Stanley, macht sich nun Sorgen, dass viele der Emerging-Market-Analysten zu jung sind, um sich an die späten 1990er-Jahre zu erinnern. Stattdessen sahen sie den Aufstieg von Brasilien, Russland, Indien und China, was eine einfachen Wette auf Prosperität nahelegte. "Viele wurden Schwellenländer-Experten nachdem der Begriff 'BRIC' geprägt worden war und haben keine ernsthafte Krise kennengelernt", sagt Jen, der jetzt den Hedgefonds SLJ Macro Partners in London leitet. Den Jungen könnte eine Lektion bevorstehen. Jen hält eine vergleichbare Entwicklung wie einst für möglich.

Schwellenländer-Währungen auf Talfahrt
Der Paukenschlag jetzt kam für die Investoren mit der russichen Zinserhöhung zur Verteidigung des Rubels. Zudem wird es immer wahrscheinlicher, dass Venezuela auf einen Zahlungsausfall zusteuert. Von Brasilien bis Thailand brechen die Aktienkurse ein. Und dabei hat die Federal Reserve in den USA noch nicht einmal mit Zinsanhebungen begonnen. "Ab einem gewissen Punkt nimmt das Risiko von Brüchen in Teilen der Schwellenländer stark zu", warnt Jen. Nicht nur der russische Rubel, auch der brasilianische Real, der mexikanische Peso, die türkische Lira, der südafrikanische Rand und die indonesische Rupiah befinden sich auf Talfahrt. Das signalisiere Risiken, sagt Jen.

Der größte Anlass zur Besorgnis – größer als eine Rezession in Russland oder der Ölpreisrutsch – sei jedoch die Konjunkturabschwächung in China. Diese habe bereits die Rohstoffpreise auf Talfahrt geschickt. Hinzu komme die Wahrscheinlichkeit, dass das Wirtschaftswachstum in den USA den Dollar weiter nach oben treiben wird und zu einem Abzug von Geldern aus den Schwellenländern führt.

Gefahr durch Dollar-Aufwertung
Eine vergleichbare Warnung kommt von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Die Bank befürchtet, eine Aufwertung des US-Dollars könnte "tiefgreifende" Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Nach Schätzungen der BIZ haben internationale Banken bis Mitte dieses Jahres 3,1 Billionen Dollar an die Schwellenländer verliehen, zumeist in Dollar denominiert. Zudem haben diese Länder Auslandsanleihen im Volumen von 2,6 Billionen Dollar aufgelegt, drei Viertel davon wiederum in Dollar.

Ökonomen des Internationalen Währungsfonds erklärten überdies, die Häufigkeit von Staatsschuldenkrisen sei zu Beginn eines geldpolitischen Straffungszyklus in den USA um 15 Prozent erhöht. "Meine langjährige Erfahrung sagt, dass Schwellenländerwährungen einbrechen können, weil es einfach zu hohe kumulative Kapitalzuflüsse in diese Länder gegeben hat", sagt Jen. Nichts, was diese Länder tun könnten, werde diese potenziellen Abflüsse stoppen, solange sich die US-Wirtschaft erhole, fügte er an. (mb/Bloomberg)