Ende April waren in Deutschland 155.078 Anlageberater tätig. 1.372 weniger als Ende 2014 und ganze 6.623 weniger als am 31. Dezember 2013, was einem Minus von über vier Prozent entspricht. Das geht aus dem Mitarbeiter- und Beschwerderegister (MBR) der Finanzaufsicht BaFin hervor, in dem seit November 2012 die Anlageberater von Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen  erfasst sind (siehe Grafik). Die nicht öffentliche Datenbank zählt zu den Maßnahmen des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz und soll den Schutz der Anleger vor Falschberatung erhöhen. Vereinfacht geht es um die Überwachung der  registrierten Berater: sowohl in Bezug auf ihre Qualifikation als auch Verstößen gegen die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetz, die im Extremfall ein Berufsverbot nach sich ziehen. Ein Novum im deutschen Aufsichtsrecht. Auch deshalb ist das MBR in der Branche umstritten. 

Zahl der Anlageberater auf Tiefststand
Erstmals seit Einführung des Registers ist die Zahl der Anlageberater Ende April auf einen Tiefststand gefallen. Zum Start 2012 waren 156.812 und damit 1.738 Berater mehr gemeldet. Wobei deren Zahl sogar noch höher gelegen haben dürfte. Nach der Übergangsvorschrift im Wertpapierhandelsgesetz konnten Mitarbeiter, die nicht die Anforderungen an die Sachkunde und Zuverlässigkeit erfüllten, noch bis zum 31. Mai 2013 ohne eine Anzeige eingesetzt werden.

Eine durchaus ernstzunehmende Entwicklung, wenn man im gleichen Zeitraum den Höhenflug der Aktienmärkte und die Rekordabsätze bei Investmentfonds betrachtet. In den letzten 29 Monaten gab es laut Statistik des Branchenverbands BVI nur sechs Monate mit Abflüssen aus Publikumsfonds. Das Geschäft mit direkten Aktieninvestments und Investmentfonds müsste bei Banken eigentlich boomen. Dennoch bauen viele Häuser in Zeiten historisch niedriger Zinsen ganz offensichtlich Beratungskapazitäten ab.

Filialsterben führt zu Personalabbau
Für den Rückzug aus der Anlageberatung gibt es für Banken zwei wesentliche Faktoren. Zum einen das anhaltende Filialsterben und der damit verbundene  Abbau von Personal und der Konzentration in der Wertpapierberatung. Die bundesweite Zahl der Bankfilialen ist nach Angaben des Bundesverband Deutscher Banken von rund 63.000 im Jahr 1997 auf gut 36.000 im Jahr 2013 gesunken. Zuletzt hatte der Vorstandschef der Commerzbank, Martin Blessing, der Branche einen weiteren massiven Abbau von Filialen vorausgesagt. Ein Drittel der bestehenden Filialen werde in den nächsten zehn Jahren seiner Meinung nach schließen, so Blessing in einem Medienbericht. 

Banken macht Regulierungsflut zu schaffen
Zum anderen macht den Banken aber insbesondere das regulatorische Umfeld zu schaffen: Stichwort MiFID II, Beratungsprotokoll, Produktinformationsblatt, Mitarbeiteranzeigeverordnung. Die Zahl neuer regulatorischer Vorgaben hat in den letzten Jahren enorm zugenommen; sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.  "Umfang und Ausmaß dieser neuen Vorgaben stellen eine wahre Regulierungsflut dar. Leidtragende sind vor allem die Berater. Sie müssen sich immer wieder - innerhalb kürzester Zeit - den neuen Bedingungen anpassen", so ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes gegenüber FONDS professionell ONLINE.

Allein die Sparkassen-Finanzgruppe stellt über 60.000 Berater. Das entspricht einem Marktanteil von 40 Prozent aller in Deutschland registrierten Anlageberater. Wie der Leiter der Wertpapierabteilung einer mittelgroßen Sparkasse im vertraulichen Gespräch bestätigt, gebe es mittlerweile vermehrt Anfragen von Mitarbeitern, die aufgrund der regulatorischen Mühlen aus der Anlageberatung in andere Abteilungen wechseln wollen und dafür sogar Abstriche beim Gehalt in Kauf nehmen.  

Privatbanken bauen stärker ab
Runtergebrochen auf die die einzelnen Bankengruppen weißt das MBR seit Ende 2013 den größten Schwund an registrierten Anlageberater im Segment der Privat- und Auslandsbanken (-6,22 %) aus, gefolgt von den Sparkassen und Landesbanken (-3,71 %). Bei den Genossenschaftsbanken fällt der Personalabbau in der Wertpapierberatung mit -1,44 Prozent hingegen vergleichsweise moderat aus. Am stärksten betroffen sind aber die Finanzdienstleistungsinstitute, die gegenüber 2013 einen Rückgang der registrierte Berater um rund zehn Prozent verzeichnet haben. Als einzige der vier Gruppen haben jedoch die Finanzdienstleistungsinstitute in den ersten Monaten des laufenden Jahres ihr Personal in der Anlageberatung aufgestockt, von 4.864 auf 5.026 Berater. 

Zahl der registrierten Anlageberater im MBR 

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Die BaFin-Datenbank erfasst allerdings nur die Gesamtentwicklung. Zahlen zu den Ab- und Neuanmeldungen gehen aus ihr nicht hervor. Setzt man den Schwund unter den Anlageberatern aber ins Verhältnis zur Entwicklung des kompletten Mitarbeiterstamms, liegt der Abbau in der Wertpapierberatung in der Regel deutlich über den von den Banken kommunizierten Personalabbau, was dafür spricht, das sich der personelle Rückgang nicht allein mit Filialschließungen erklären lässt. So hat etwa die Deutsche Bank laut ihres Geschäftsberichts zwischen 2013 und 2014 die Zahl der Vollzeitstellen in Deutschland von 46.377 auf 45.392 reduziert, ein Rückgang um 2,12 Prozent. Bei der Commerzbank fielen im selben Zeitraum  1.334 von 41.113 Stellen weg (-3,25 %).     

Viele Banken ziehen sich aus Aktienberatung zurück
Die sinkende Zahl der registrierten Anlageberater deckt sich mit einer im Juni 2014 veröffentlichten Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI), dass im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz 499 deutsche Kreditinstitute zum Thema "Regulierung in der Anlageberatung" befragte hatte. Demnach bieten wegen der zunehmenden Regulierungsdichte 22 Prozent der Umfrageteilnehmer keine Aktienberatung mehr an. Insbesondere kleinere Banken mit einer Bilanzsumme von bis zu 500 Millionen Euro ziehen sich komplett zurück. Bei weiteren 65 Prozent hat sich die Zahl der Beratungsgespräche zu Aktien verringert. Rückläufig, aber weniger drastisch, ist auch die Beratung zu anderen Wertpapieren wie Anleihen, Zertifikaten und Investmentfonds.

Ganze 89 Prozent der Teilnehmer nennen das Beratungsprotokoll als einen der Gründe für den Rückzug aus der Aktienberatung. 77 Prozent die Pflicht, bei jeder Kaufempfehlung für Einzelaktien ein Produktinformationsblatt bereitstellen zu müssen. Als Reaktion auf die Regulierung hat das beratungsfreie Aktiengeschäft deutlich zugenommen und ist auch bei anderen Vermögensklassen moderat gestiegen, so die Studienautoren.

Verzicht auf Beratung wird erzwungen
Ihr Fazit: Der starke Anstieg des beratungsfreien Aktiengeschäfts stützte die Ergebnisse, dass ein großer Teil des Beratungsangebots entweder überhaupt nicht mehr oder nicht mehr in der Fläche vorhanden sei. Zudem belaste die zeitintensiven Formalien und das "Ausfragen" im Rahmen der Geeignetheitsprüfung viele Kunden. Beides zusammen stärke die Tendenz zum "Selbstentscheider", der seine Aktienanlage ohne Beratung selbst tätigt. Ob dies grundsätzlich zu einer Verbesserung der Vermögensanlageentscheidungen führe, darf nach Ansicht des DAI bezweifelt werden, insbesondere dann, wenn der Verzicht auf Beratung quasi erzwungenermaßen erfolge. (rmk)