Das leidige Hin und Her um das Provisionsabgabeverbot geht vorerst weiter. Offiziell ist es bis zum 30. Juni 2017 noch in Kraft, so dass einige Juristen vorsichtige Vermittler mahnen, keine Rabatte bei der Vergütung zu gewähren. Der Rechtsanwalt Johannes Fiala und der Aktuar Peter A. Schramm halten dagegen, dass Versicherer das Verbot de facto schon seit längerer Zeit umgehen. In einem Exklusiv-Kommentar für FONDS professionell ONLINE erläutern sie, dass die Abschaffung des Discountverbotes in erster Linie Versicherungsgesellschaften nützen wird und dass Vermittler sich warm anziehen sollten: Denn der Wegfall des Abgabeverbotes im Zusammenspiel mit der fortschreitenden Digitalisierung der Vertriebswege eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, Vergünstigungen anzubieten, die derzeit noch nicht erlaubt sind. (jb)


Die Entscheidung der Politik, das Provisionsabgabeverbot nicht durch eine neue Verordnung zu ersetzen, bedeutet größere Freiheit und nicht etwa Gängelung der davon betroffenen Versicherungsvermittler. Das Verbot ist tot – so haben es Gerichte entschieden. Begraben wird es erst zum 1. Juli 2017. Dies war jedoch nur der Anfang. Denn es wird das Begünstigungsverbot als Ganzes, also das Verbot von Sondervergünstigungen und Sondervergütungen insgesamt, fallen.

Vom Händler oder Hersteller erhält man heute einen Rabatt auf den normalen Listenpreis. Verkaufsaktionen wie "Nimm drei, zahle zwei” sind üblich. Oder es gibt eine sonstige Zugabe, sogar Bargeld bei Abschluss, oder die erste Rate wird erst nach vier Monaten fällig.

Das Ende des Begünstigungsverbotes
Solche Aktionen sind den Versicherungs-Unternehmen selbst bisher aufgrund des Begünstigungsverbots untersagt. Nunmehr bekommen sie endlich ein Marketinginstrument an die Hand, das ihnen ermöglicht, mit der übrigen Wirtschaft gleichzuziehen. Drei Prozent Sonderrabatt, 1.500 Euro Weihnachtsgeld vom Versicherer bar auf die Hand und Januar bis März beitragsfrei bei Direktabschluss einer privaten Krankenversicherung noch bis 20. Dezember: Solche Aktionen würden den Vertrieb enorm fördern und steuern können.

Was der Vermittler künftig kann, muss dem Versicherer selbst erst recht erlaubt sein. Moderne Preisgestaltung ausgehend von einem normalen "Listenpreis” gemäß aktuariell vorsichtig kalkuliertem Tarif mit anschließend Rabatten, Sondervergütungen und anderen Verkaufsanreizen je nach Kundengruppe und augenblicklichem Marktumfeld lassen auf eine goldene Zukunft der Versicherungswirtschaft hoffen. Angesichts hoher in die Tarifprämien einkalkulierter Provisionen und ausreichender Vorsichtsmargen haben Versicherer auch genug Geld dafür übrig.

Erlaubte Provisionsabgabe und Courtageabgabe
Der Versicherungsmakler ist Handelsmakler. Nach Paragraf 99 Handelsgesetzbuch bezahlen Versicherungsnehmer und Versicherer, wenn es nicht anders geregelt ist, die Courtage jeweils hälftig, wenn ein echter Doppelauftrag vorliegt. Aus Paragraf 652 Bürgerliches Gesetzbuch folgt nur eine Courtagepflicht des Versicherungsnehmers als Auftraggeber des Maklers. Der Versicherer zahlt die Courtage nur nach Handelsbrauch (BGH, VersR 1985, 930).

Die Courtagezusage begründet regelmäßig keinen Rechtsanspruch des Maklers gegen den Versicherer. Der BGH geht davon aus, dass zwischen Kunden und Versicherer konkludent beziehungsweise stillschweigend (auch) ein Vertrag zu Gunsten Dritter (des Maklers) abgeschlossen wird, Paragrafen 354, 99 HGB, § 653 I BGB (OLG Hamm, VersR 1995, 658; BGH, VersR 1993, 878). Der Versicherer hat die Abschlusskosten (einschließlich Courtage) einkalkuliert und verpflichtet sich stillschweigend, die Courtageschuld des Versicherungsnehmerns beim Makler zu bezahlen (Icha, Alina, Die Nettopolice, Verlag VVW, Berlin 2014, S.98 ff.).

Somit kann jeder Makler sagen: "Lieber Kunde, Du bekommst es bei mir billiger – oder Fee-Only". Es lässt sich vertreten, dass das Provisionsabgabeverbot schon immer verfassungswidrig war (Art. 12 Grundgesetz). Bisher schon hat die Aufsicht zahlreiche Ausnahmen vom Begünstigungsverbot zugelassen, wenn es eine Begründung gab – zum Beispiel, wenn ein Arbeitgeber das Inkasso für den Versicherer durchführte.

Mehr Freiheiten für Versicherungsmakler
Das Begünstigungsverbot – also dass dem Kunden niemand, auch nicht der Versicherer – irgendetwas nachlassen darf, hatte zum Zweck, dass die Prämien für Individuen, die nicht über Preise verhandeln können, nicht deswegen erhöht werden, weil man zu viele Rabatte geben muss. Die Weitergabe der Provision ist davon nur ein Teil.

Es gab schon immer große Mühe der Versicherungsgesellschaften, das Begünstigungsverbot zu umgehen, indem man Rabattvereine gründete, oder einfach neue eigene Tarife einführte, die von sich aus günstiger waren. Es ist klar, dass man gerne für besondere Kunden, Vertriebe, Firmen und andere Gruppen Rabatte oder Leistungszugaben hätte. Aktuare haben entsprechende Tarife oft damit begründet, dass entsprechende Ersparnisse da sind, weil der Vertrieb viel einfacher ist, so dass man dem Vermittler nur die halbe Provision zahlen muss. Mit der Begründung war der Rabatt aufsichtsrechtlich erlaubt, als anerkannte Ausnahme vom Verbot der Sondervergünstigungen.

Zahllose Rabattvarianten
Das Repertoire an vorstellbaren Sonderaktionen scheint schier grenzenlos zu sein: Weihnachtsaktionen, Mengerabatte, "Nimm 50 Euro Pflegegeld, zahle 40", 2.000 Euro Weihnachtsgeld für den Abschluss einer Fondspolice über mindestens 150 Euro Beitrag bis Dezember, Zahnversicherung beitragsfrei bis Jahresende bei Abschluss bis Oktober, ein Gratislos für lebenslang 5.000 Euro Rente bei Abschluss einer Rentenversicherung – da werden es Vermittler schwer haben, die gerade mal eine Provision oder Courtage weitergeben können, und selbst das vielleicht nicht einmal wollen.

Scheingefechte der Maklerverbände
Es geht gar nicht so sehr um das Verbot der Provisionsweitergabe, sondern es geht um etwas sehr viel weiter Tragendes. Es geht mithin auch nicht um die Courtage. Nur den Vermittlern geht es darum, und die Versicherer tun auch so, als ob es darauf eingegrenzt wäre. Sie wissen es natürlich besser. Womöglich führen die Versicherer hier nur ein Scheingefecht , das sie verlieren müssen, um dann vom Wegfall des Begünstigungsverbots auf die Weise zu profitieren, dass man am Ende gar keine Vermittler mehr braucht.

"Trojanisches Pferd" Digitalisierung
Hierzu trägt auch die Digitalisierung bei. Solche versichererunterstützte Vorhaben wie "Verbesserung von Beraterprozessen" sollen dem Vermittler die Beratung in standardisierter Form erleichtern. Der Vermittler ist heute ohnehin oft nur noch Bediener einer Maschine und Übersetzer des von der Maschine Ermittelten an den Kunden. Am Ende ist die Beratung so standardisiert und so "simplifiziert", dass sie gleich von einem Roboter erbracht werden kann. Es macht dann auch Sinn, den Kunden je nach Zahlungsfähigkeit zu bearbeiten, mit gegebenenfalls höherem Preis oder mehr oder weniger großen Zugaben, was aber heute leider wegen des Begünstigungsverbotes (noch) nicht geht. Künftig funktioniert dies effizient – und besser, als es ein Vermittler jemals kann.

"Vermittlersterben" absehbar
Dann geht es den Vermittlern wie den "Webern" von Gerhart Hauptmann. Das Leinen wird in Fabriken billig hergestellt, aber wenn ein Handweber etwas an den Großhändler verkaufen will, nimmt der es auch, wenn Preis und Qualität stimmen. Ob der Handweber verhungert, ist dem Fabrikbesitzer egal. In der Schule wird dies als Beispiel der Unterdrückung angeführt. Demgegenüber könnte man meinen, die Handweber seien doch wohl Selbstständige, und den Arbeitern in den Fabriken sei es wohl vergleichsweise gut gegangen. Niemand hatte vor, die Handweberei zu verbieten – das Gewerbe ist sind trotzdem (fast) ausgestorben. Bis auf einige wenige Anbieter für eine besonders anspruchsvolle und betuchte Kundschaft.

Neue Versicherungsvertriebs-Richtlinie IDD
Die IDD erfasst jede Art des Vertriebs von Versicherungen, nicht nur den Weg über Vermittler, sondern auch den Direktvertrieb der Gesellschaften, sowie den akzessorischen Vertrieb. Zur Vermeidung von Kundenirrtümern hat ein "Wunsch- und Bedürfnistest anhand der vom Kunden stammenden Angaben" zu erfolgen. Die Vergütung ändert sich: "Eine auf Verkaufsziele gestützte Vergütung sollte keinen Anreiz dafür bieten, dem Kunden ein bestimmtes Produkt zu empfehlen". Zu Deutsch: Provisionen und Courtagen werden eher ab- als zunehmen. (vgl. EU-Drucksache: COM(2012)0360 – C7-0180/2012 – 2012/0175(COD).

Die IDD-EG-Richtlinie soll 2016 vom EU-Ministerrat beschlossen werden – dann haben die Mitgliedsländer bis zu zwei Jahre Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen oder sich schadensersatzpflichtig zu machen (EuGH Sache Dillenkofer ./. D, Urteil vom 08.10.1998, Az. C-178/94). Bis dahin soll auch der Fünf-Sterne-Küchenroboter von Moley Robotics fertig sein, mit geplanten rund 2.000 Fünfsternekoch-Rezepten und weiterer Lernfähigkeit.

Wer nun als Maklerverband glaubt, er könne das Rad der Zeit zurückdrehen, träumt von der sprichwörtlichen Weißwurst, denn EU-Richtlinien sind gegenüber nationalen Regelungen sogenanntes höherrangiges Recht. Maklerverbände wären gut beraten, sich um Berufsbild sowie Aus- und Fortbildung zur Qualifizierung zu bemühen, im Wettbewerb mit den Versicherern, die auch ihre eigenen Agenten durch Internetportale gleichsam kannibalisieren. 


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