Der US-Ökonom Robert Shiller ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University. 2013 wurde er – gemeinsam mit Lars Peter Hansen und Eugene Fama – mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Lesen Sie im Anschluss seinen Original-Kommentar.


Wenn man ein perfektes Beispiel dafür sucht, warum es so schwer ist, Finanzmärkte gut funktionieren zu lassen, muss man sich nur die Probleme und Kontroversen rund um das Crowdfunding in den Vereinigten Staaten anschauen. Nach über drei Jahren Beratung hat die US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) im letzten Monat eine abschließendes Regelwerk verabschiedet, das echtes Crowdfunding ermöglichen wird. Und trotzdem reichen diese Regeln bei weitem nicht aus, um die Voraussetzungen für einen weltweiten Aufschwung des Crowdfunding zu schaffen.

Echtes Crowdfunding, oder Eigenkapital-Crowdfunding, bezieht sich auf die Aktivitäten bei Online-Plattformen, die Aktien von Startup-Unternehmen direkt an eine große Anzahl kleiner Investoren verkaufen und so das traditionelle Venture Capital oder Investmentbanking umgehen. Dieses Konzept entspricht dem der Online-Auktionen. Aber Crowdfunding soll niemandem den weltweiten Verkauf seiner Möbel ermöglichen, sondern schnell Geld zur Verfügung stellen – das von Eingeweihten stammt und für Geschäftsmodelle gedacht ist, die von Banken vielleicht nicht verstanden werden. Das klingt sicherlich spannend.

Außerhalb der USA waren die Regulierungsbehörden oft kulanter, und einige Crowdfunding-Plattformen sind bereits in Betrieb. So wurden Symbid in den Niederlanden und Crowdcube in Großbritannien bereits 2011 gegründet. Aber noch hat Crowdfunding auf den Weltmärkten keine große Bedeutung. Und ohne adäquate – und innovative – finanzielle Regulierung wird sich dies auch nicht ändern.

Für das Verständnis der Probleme, vor denen Beamte bei der Regulierung von Crowdfunding stehen, gibt es eine konzeptuelle Barriere, die damit zu tun hat, dass die vorherrschenden ökonomischen Modelle die manipulativen und unaufrichtigen Aspekte menschlichen Verhaltens nicht in Betracht ziehen. Ökonomen beschreiben üblicherweise die rationale und ehrliche Seite der Menschen, ignorieren aber ihre Falschheit. Daher unterschätzen sie die Risiken des Crowdsourcing.

Diese Risiken bestehen nicht so sehr in der Möglichkeit des Betrugs, also großer und strafbarer Lügen, sondern eher in subtileren Formen der Täuschung. Diese Täuschung kann auch offen sein, wenn Werber leichtgläubige Amateure von den entscheidenden Schwächen eines Geschäftsplans ablenken, diese nur widerstrebend preisgeben oder nur im Kleingedruckten darlegen.

Es ist nicht so, dass Menschen völlig unehrlich sind. Im Gegenteil, sie sind normalerweise stolz auf ihre Integrität. Aber leider setzt diese Integrität hier und da etwas aus – was insgesamt einen großen Einfluss haben kann.

In meinem neuen Buch gemeinsam mit George Akerlof, "Phishing for Phools: The Economics of Manipulation and Deception", argumentieren wir, dass skrupelloses Verhalten in die ökonomische Theorie auf grundlegende Art einfließen muss. Das wirtschaftliche Gleichgewicht, in dem wir leben, sollte in erster Linie als Phishing-Gleichgewicht betrachtet werden, in dem sich kurzfristige individuelle Unehrlichkeit innerhalb von Unternehmen unter intensivem Wettbewerbsdruck in einen systemisch bedeutsamen Faktor verwandeln kann. Natürlich belohnt der Wettbewerb kluges Verhalten und harte Arbeit. Aber er verleitet auch oft dazu, die Grenzen subtiler Täuschung zu testen.

Da die neuen Crowdfunding-Regeln der SEC ein kompliziertes Problem lösen sollen, sind sie selbst sehr komplex. Das Konzept hinter Crowdfunding ist die Verbreitung von Informationen über Millionen von Menschen. Die meisten Menschen, darunter sogar die klügsten, können die Gelegenheit des nächsten unternehmerischen Durchbruchs nicht erkennen. Die das können, sind rar gesät. Der Ökonom Friedrich Hayek hat dies 1945 gut ausgedrückt:

"Ohne Frage gibt es eine Menge sehr wichtigen, aber unorganisierten Wissens, das nicht im Sinne der Kenntnis allgemeiner Regeln als wissenschaftlich bezeichnet werden kann: im Sinne der Kenntnis bestimmter Umstände oder Orte. Diesbezüglich hat so gut wie jedes Individuum über alle anderen einen Vorteil, da es einzigartige und potenziell nutzbringende Informationen besitzt. Nutzbringend aber nur, wenn die darauf beruhenden Entscheidungen von ihm selbst oder mit seiner aktiven Mithilfe getroffen werden."

Das Problem ist, dass das Versprechen echter "einzigartiger Informationen" immer gemeinsam mit der Wirklichkeit der Anfälligkeit gegenüber Täuschung auftritt. Dies ist der Grund, warum die Kanalisierung zerstreuten Wissens in neue Unternehmensideen einen regulatorischen Rahmen erfordert, von dem die wirklich klugen und ehrlichen Menschen profitieren. Leider gehen die neuen Crowdsourcing-Regeln der SEC nicht so weit, wie sie eigentlich sollten.

Das US-Gesetz von 2012, das die SEC mit der Erstellung von Regeln für Crowdfunding-Plattformen beauftragt hat, sieht vor, dass Startups regulär nicht mehr als eine Million Dollar im Jahr einsammeln dürfen. Um den Umfang möglicher Täuschung zu begrenzen, ist diese Regel praktisch wertlos. Tatsächlich war die Einführung dieser Vorgabe ein schwerer Fehler und muss dringend durch eine Gesetzesänderung korrigiert werden. Die Grenze von einer Million Dollar ist nicht hoch genug und beschränkt Crowdfunding auf kleine Ideen.

Einige der SEC-Regeln sind gegen Täuschung hilfreich. Insbesondere müssen Crowdfunding-Plattformen Kommunikationskanäle bereitstellen, "über die Investoren miteinander und mit Repräsentanten des Emittenten über die verfügbaren Angebote kommunizieren können".

Diese Regel ist gut und eine Grundlage für die gesamte Idee des Crowdfunding. Aber die SEC könnte mehr tun, als nur ihren Glauben an "unzensierte und transparente Crowd-Diskussionen" zu betonen. Sie sollte verlangen, dass der Vermittlungsplattform ein Überwachungssystem einführt, das gegen Beeinflussung und falsche Kommentare von Lockvögeln schützt.

Die SEC und andere Regulierungsbehörden könnten sogar noch weiter gehen. Sie könnten die Vermittler dazu bewegen, eine Plattform zu entwickeln, die die Erfahrung und den Ruf der Kommentatoren zusammenfasst. Warum sollten Kommentatoren, die "Empfehlungen" sammeln oder deren Kommentare über Emittenten in Bezug auf deren nachfolgenden unternehmerischen Erfolg wertvoll sind, nicht bezahlt werden?

Damit es erfolgreich sein kann, hängt das Finanzsystem als Ganzes letztlich von Vertrauen ab, das ebenso wie Misstrauen und Angst hoch ansteckend ist. Soll Crowdfunding daher sein weltweites Potenzial wirklich ausschöpfen, muss Crowdphishing von Anfang an verhindert werden. Die Regulierer müssen die richtigen Regeln aufstellen (und es wäre hilfreich, wenn sie sich dabei etwas beeilen würden).

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