In der Asset-Management-Branche besteht seit einem Jahrzehnt eine Vorliebe für quantitative Verfahren. Kennzahlenoptimierungen, Excel-Sheet-Programmierungen und ähnlich lauten die Schlagwörter. Fast allen Ansätzen liegt der Gedanke zugrunde, dass man lediglich Daten der Vergangenheit und einen mathematischen Prozess benötigt, um gute Investitionsentscheidungen treffen zu können.

Dies ist jedoch insbesondere bei der Einzeltitelauswahl von Aktien nicht der Fall. Sämtliche Kennzahlen von Aktien sind offen zugänglich. KGVs und Dividendenrenditen sagen aus, wie teuer oder billig ein Unternehmen ist. Die Kennzahlen verschweigen aber, ob sie es zu Recht oder zu Unrecht sind, merkt Stefan Klomfass, Leiter institutionelles Wertpapiergeschäft bei SEB Asset Management an. Anders liege der Fall bei Value-Investoren, denn diese versuchen die unentdeckten Perlen zu finden: die zu Unrecht billigen Unternehmen.

Value-Indizes ohne Value

Doch Value ist nicht gleich Value, wie Klomfass anmahnt: Es gibt zwar Value-Indizes. Diese haben aber wenig mit wertorientiertem Investieren zu tun. Denn der „Value“ von Value-Indizes beruht ebenfalls auf reinen Kennzahlen wie etwa einer hohen Dividendenrendite. Hohe Dividendenrenditen bedeuten aber nichts anderes als eine billige Bewertung dieser Aktien. Sprich: Der Markt zweifelt an der Qualität des Unternehmens beziehungsweise an der Höhe seines künftigen Gewinnwachstums. In der Regel hat der Markt Recht, so Klomfass.

Der Mehrwert eines Asset Managers liegt ihm zufolge gerade darin, die zu Unrecht unterbewerteten Aktien zu finden, und genau die gilt es zu kaufen. Dies geht nur mit fundamentaler Unternehmensanalyse. In den 1980er Jahren hatten Fundamentalanalysen ihre große Zeit. In den 1990ern wurden gute Aktientipps zu einfach, weil nahezu alles stieg. Dies hat viele falsche Gurus auf den Plan gerufen, wie sich beim Platzen der Blase ab dem Jahr 2000 zeigte. Investoren waren enttäuscht, und das Pendel schwang in die Gegenrichtung.

Fundamentale Marktbetrachtung als Crux

„Fundamental kann man die Märkte nicht schlagen“, heißt es nun häufig. Entsprechend gibt es fundamentales Fondsmanagement kaum noch. Aber gerade dies ist die Chance, auch für Anleiheinvestoren. Wer sich die fundamentale Situation in Südeuropa in den vergangenen Jahren genauer angesehen hätte, hätte Verluste vermeiden können, so Klomfass. Inzwischen sei allen Marktteilnehmern klar, dass man ohne eine fundamentale Länderallokation kein Rentenmanagement mehr betreiben kann. Kennziffern allein führen in die Irre

Auch bei vielen Aktieninvestoren waren die Depots bis 2007 voll mit Unternehmen, die hohe Dividendenrenditen auswiesen, aber weiß Gott keinen „Value“ enthielten. Nämlich Banktitel und Aktien der Rohstoffunternehmen, die seitdem in einem steilen Sinkflug begriffen sind.

Schein-Value lässt sich auch jahrelang mittels anderer Style-Faktoren erzielen, so etwa der Übergewichtung von Nebenwerten gegenüber Standardwerten. Small Caps steigen meistens im anziehenden Mark überproportional. War man etwa von 2003 bis 2007 in Nebenwerten übergewichtet, hat man gegenüber Blue Chips outperformt. Die Gewinne zerrinnen jedoch im fallenden Markt.

Ob Größe für ein Unternehmen wirklich vorteilhaft oder nachteilig ist, kann nur die Einzeltitelanalyse zeigen, ist Klomfass überzeugt. Für ein langfristig erfolgreiches Aktienengagement geht es nicht darum, auf einen Style zu setzen. Die Kunst besteht darin, Unternehmen auf ihre Gewinnperspektiven zu analysieren. Dazu gehören gutes ökonomisches Verständnis, hohes Abstraktionsvermögen Abstraktionsvermögen, jahrelange Erfahrung, gesunder Menschenverstand und der richtige Riecher für Geschäftsmodelle, die einem Unternehmer Geld bringen. Die Basis ist das Beherrschen von grundlegendem Handwerkszeug wie die fundamentale Wertpapieranalyse nach Graham oder die Analyse der Branchen- und Marktattraktivität anhand des Fünf-Kräfte-Modells von Porter.

Kaufen, was keiner will – verkaufen, was alle wollen

Ein Wesenszug des Value-Investing ist, dass man im Gegensatz zur Trendfolge nach Bereichen sucht, die gerade nicht in Mode sind. Dabei setzen Value-Investoren ausschließlich auf Firmen, deren Geschäftsmodelle und Produkte sie verstehen. Sie kaufen Wertpapiere, die andere im Moment nicht haben wollen, und verkaufen, was derzeit bei anderen „hoch im Kurs steht“. Damit sind die Investitionsentscheidungen von Value-Investoren immer unpopulär. Am Schluss zählt die Rendite.

Hauseigener Fonds mit Valueansatz

Der SEB EuroCompanies hat den Value-Ansatz im europäischen Aktienmarkt umgesetzt und seit 2006 eine Outperformance von rund zwölf Prozent vor Kosten erwirtschaftet. Den gleichen Value-Ansatz setzt Jürgen Meyer, CIO European Equities und Manager des SEB Aktienfonds, seit Juli 2002 bei deutschen Aktien um und hat damit den Markt um aggregiert über 30 Prozentpunkte vor Kosten geschlagen. Wer hätte seit 2002 nicht gerne gut 70 Prozent mit Aktien verdient?

Value-Investing hat dem Anleger somit langfristig etwa 2,5 bis 3 Prozent per annum an Überrendite eingebracht – über einen derart langen Zeitraum ist Erfolg kein Zufall, wie Klomfass meint. Styles kommen und gehen. Systematische Überrenditen erzielt man langfristig – mit Value-Investing. (ir)