Der Aktienmarkt hat im abgelaufenen Jahr viele Anleger enttäuscht. Es ist aber längst nicht die Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken, meint Jürgen Meyer, Head of Euroland & German Equities bei SEB Asset Management. Zwar gebe es Gründe für die negative Entwicklung, doch zum Glück sind die Argumente für einen bevorstehenden Aufschwung Meyer zufolge besser. Zwar sei davon auszugehen, dass das Jahhr 2012 Aktionären kein großes Gewinnwachstum bescheren wird. Dafür sind die Kurse vieler Aktien aber auch so günstig, das dies dadurch kompensiert wird. In einem Marktkommentar schreibt er hierzu wie folgt:

"Vergleicht man rückblickend die Reaktorkatastrophe von Fukushima mit der Angst vor Auswirkungen der Staatsschuldenkrise einiger Länder der Eurozone auf hier ansässige Unternehmen, wird eines klar: Die echte Katastrophe in Fernost führte zu geringeren Kursabschlägen als die Befürchtungen hierzulande über mögliche Krisenfolgen. Nun haben emotional verursachte Kursbewegungen den Vorteil, dass sie von kurzer Dauer sind. Die Zeit arbeitet für die Eigentümer guter Unternehmen.

Dividenden, Wachstum und günstiger Einstieg
Investoren verdienen an Dividenden, die Unternehmen kontinuierlich erwirtschaften und ausschütten. Im letzten Jahr haben diese nicht ausgereicht, um die erlittenen Kursverluste auszugleichen. Eine weitere entscheidende Einnahmequelle der Aktionäre ist das langfristige organische Wachstum der Aktiengesellschaften, das vor allem die guten von den schlechten Unternehmen abgrenzt. Die oftmals höchste Einkunftsquelle besteht jedoch darin, Anteile guter Unternehmen mit einem Abschlag zu ihrem inneren Wert zu kaufen; der Einkauf beim Discounter. Und dessen Regale sind nach den Kursverlusten der vergangenen Monate gut gefüllt. Beim aktuellen Kauf wird dies die dominierende Größe für künftige Erträge sein.

Worauf fällt der Blick 2012?
Das klassisch produzierende Gewerbe äußert sich skeptisch bezüglich der konjunkturellen Entwicklung, aber das Geschäft der meisten Auto-, Chemie-, Pharma- und Konsumgüterkonzerne läuft gut. Im Jahr 2012 winkt eine hohe Dividende. Finanzinstitute werden diese wohl kürzen oder streichen. Ähnliches droht bei Versorgern. Auch hier ist der Grund nicht eine mögliche Konjunkturabkühlung, sondern die Entwicklung des regulatorischen Umfelds. Das ist die Kehrseite eines Geschäftsmodells, das nur von einem Markt abhängig ist. Andere Branchen regeln ihren Wettbewerb nahezu allein über den Preis, was dazu führt, dass Reisekonzerne oder die Luftfahrtindustrie ein verheerendes Branchenbild abgeben mit nahezu ausschließlich defizitären Unternehmen. Es gibt löbliche Ausnahmen, die profitabel wirtschaften, aber auch hier ist oft genug kreative Buchführung ein Helfer in der Not. Es ist eine zentrale Frage, in welchen Märkten die Unternehmen tätig sind. Auch für die Konsumgüterindustrie wird es nachteilig sein, wenn die Unternehmen ihre Absatzmärkte in Südeuropa haben.

Die Staatsschuldenkrise wird zu einer Konsumzurückhaltung führen. Hersteller, die global aufgestellt sind, werden Mindereinnahmendurch andere Märkte teilweise oder ganz kompensieren können. Die großen Namen wie Nestlé, Danone oder Unilever werden womöglich geringeres Gewinnwachstum verzeichnen, aber eben den Gewinn steigern. Die Paradebeispiele der Industriegüterindustrie sind nach wie vor die deutschen Automobilkonzerne, insbesondere der Premiumautomobilbau. Das langfristige Gewinnwachstum und die Globalisierung des Geschäftsmodells können sich durchaus mit den Großen der Konsumgüterindustrie messen lassen. Perlen lassen sich mitunter bei den Nebenwerten im Software- und IT-Bereich finden. Großkonzerne wie Apple sitzen auf hohen Cash-Beständen, die Bewertungen sind günstig, kurz gesagt: Es ist das passende Umfeld für Übernahmen.

Blanke Zahlen wecken lebhafte Kursfantasie
Im kommenden Jahr sollten Rezessionsängste oder gar Befürchtungen einer Wiederkehr der großen Depression entkräftet werden. Es sollte auch nicht darüber lamentiert werden, ob die Politik mit Schwarzmalerei die Stimmung an den Aktienmärkten belastet. Es ist nicht Aufgabe der Politik, für gute Laune bei den Börsianern zu sorgen, sondern einen Rahmen zu schaffen, der eine wirtschaftliche Erholung stützt. Ein Rundumschlag läuft immer Gefahr, zu verallgemeinern. Am Ende sind es nicht Branchen oder Länder, die entscheiden, sondern die einzelnen Unternehmen mit ihren spezifischen Produkten, Absatzmärkten und Alleinstellungsmerkmalen.  Es ist die Zeit für Stockpicker.

2012 wird Aktionären kein großes Gewinnwachstum bescheren. Dies ist angesichts der geringen Kurse aber auch nicht notwendig. Etliche fundamental gute Unternehmen werden mit Abschlägen von bis zu 50 Prozent auf den inneren Wert gehandelt. Allein eine Rückkehr zu fairen Bewertungen – ohne jedes Gewinnwachstum – würde in diesen Fällen zu einer Kursverdoppelung führen. Die kühle, nüchterne Analyse weckt große Kursfantasien für 2012." (ir)