Werden die Mini-Zinsen zu einer existenzgefährdenden Haftungsfalle für Vermittler von Lebensversicherungen? Die Frage ist zwar noch theoretischer Natur, vollkommen ausgeschlossen werden kann der Ernstfall nicht. Daher heißt es letztlich: Augen auf und schauen, ob und wie sich deutsche Gerichte in dieser Frage entscheiden. Dies geht aus einem Statement der Finanzaufsicht Bafin hervor, das FONDS professionell ONLINE vorliegt.

Die Frage entzündet sich an einer Passage des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Der Finanzexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, hatte hier vor einigen Wochen den Finger in eine Wunde für Versicherungskunden gelegt: Er wies darauf hin, dass die Finanzaufsicht Bafin die Garantiezusagen von klassischen Lebenspolicen entgegen anders lautender Berichte sehr wohl um mehr als die in Paragraf 222 Absatz 5 VAG vorgesehene Grenze von fünf Prozent kürzen kann.

Dem Paragraf 222 VAG stehe nämlich Paragraf 314 desselben Gesetzes gegenüber. Dort heißt es in Absatz 2: "Unter der Voraussetzung nach Absatz 1 Satz 1 kann die Aufsichtsbehörde, wenn nötig, die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen. (…) Bei der Herabsetzung werden, soweit Deckungsrückstellungen der einzelnen Versicherungsverträge bestehen, zunächst die Deckungsrückstellungen herabgesetzt und danach die Versicherungssummen neu festgestellt; ist dies nicht möglich, werden die Versicherungssummen unmittelbar herabgesetzt."

Bafin spielt Ball an Justiz zurück
Der Rechtsanwalt Jens Reichow von der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte hatte nun in einem Fachmedium die Frage aufgeworfen, ob Vermittler in Zukunft damit rechnen müssen, in einem solchen Fall von aufgebrachten Kunden in Regress genommen zu werden. Andere Juristen sind der Meinung, dass Makler zumindest ein wachsames Auge auf der Finanzkraft eines Versicherer haben müssen und bei Anzeichen von Solvabilitätsproblemen besser Policen eines finanzstärkeren Versicherungsunternehmens empfehlen sollten (FONDS professionell ONLINE berichtete).

FONDS professionell ONLINE hat daher bei der Bafin um eine Stellungnahme gebeten. Ein Sprecher der in Bonn ansässigen Behörde erklärte der Redaktion: "Es besteht keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht für Versicherungsvermittler, auf die in Paragraf 314 VAG vorgesehene Möglichkeit hinzuweisen, dass die Bafin die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen herabsetzen kann." Fast noch relevanter ist aber der folgende Satz, demzufolge die Bafin diese Frage nicht rechtsverbindlich entscheiden können. "Hierzu sind vielmehr die Gerichte berufen." (jb)