Deutsche Anleger mussten sich zuletzt einiges anhören. So ermahnte Mario Draghi die eingefleischten Sparbuch-Liebhaber, ihre Geschicke bitteschön selbst in die Hand zu nehmen, statt ständig auf die Europäische Zentralbank (EZB) und deren Niedrigzinspolitik zu verweisen. Die Gescholtenen scheinen seine Botschaft zu beherzigen – auch, weil sie dem Kurs des EZB-Präsidenten und dessen Folgen für ihre eigene Vermögensplanung misstrauen.

So sorgt die Geldpolitik der EZB für zunehmenden Argwohn bei bundesdeutschen Renditesuchern. Das zeigt das aktuelle Anlegerbarometer von Union Investment, bei dem vom Marktforschungsinstitut Forsa bis Mitte Mai 500 Finanzentscheider in privaten Haushalten im Alter von 20 bis 59 Jahren, die mindestens eine Geldanlage besitzen, nach ihren Einschätzungen befragt wurden. Knapp drei Viertel der Befragten (72 Prozent) haben gar kein oder nur wenig Vertrauen in die europäischen Währungshüter.

Mit Blick auf die eigene finanzielle Situation machen sich 40 Prozent Sorgen über das, was sie über die EZB gelesen oder gehört haben. Dies führt auch dazu, dass sich immer mehr Sparer mit Alternativen für ihre Geldanlagen beschäftigten: 41 Prozent halten es mittlerweile für sinnvoll, zumindest einen kleineren Teil ihres Geldes auch in chancenreicheren Anlagen – sprich: in Aktien oder aktiennahen Fonds – anzulegen. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch Ende 2015.

Beratung kann Wunder wirken
"Der gefühlte Leidensdruck der Anleger sorgt offenbar dafür, dass sie sich mit Alternativen für ihre Geldanlage beschäftigen. Diese Entwicklung scheint sich langsam aber stetig zu verfestigen", kommentiert Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment, die Ergebnisse des Anlegerbarometers.

Sachkundige Beratung wird dabei unverändert wertgeschätzt. Jedem Zweiten ist ein persönliches Gespräch mit einem Investmentprofi wichtig, um in der Menge unterschiedlichster Anlagelösungen die Richtige zu finden. Dabei rücken die chronisch börsenskeptischen Deutschen langsam wieder an Aktien heran.

Klassiker auf dem absteigenden Ast
Gut ein Drittel (36 Prozent, Vorquartal 35 Prozent) der Befragten findet Aktien inzwischen wieder attraktiv. Die großen Verlierer in der Anlegergunst sind indes Tagesgeld und Lebensversicherungen. Nur noch 22 Prozent (Vorquartal 31 Prozent) respektive 15 Prozent (Vorquartal 22 Prozent) der Befragten schätzen diese traditionell beliebten Anlageformen.

Gleiches gilt für Festgeld und Sparbuch. Auch hier ist die Attraktivität im freien Fall und sinkt von 23 auf 17 Prozent beziehungsweise von 19 auf 14 Prozent. Das exakte Gegenteil gilt für Anlagen in Immobilien, die in der Attraktivität nochmals um vier Prozentpunkte auf 74 Prozent zugelegt haben. Damit stehen sie unangefochten an der Spitze der Beliebtheit, gefolgt von den wieder angesagten Investments in Gold mit 55 Prozent (Vorquartal 44 Prozent).

Die Anlage-Lieblinge der Deutschen (Mehrfachnennungen möglich)

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Quelle: Anlegerbarometer Union Investment; Stand: 2. Quartal 2016

Neben der gestiegenen Attraktivität der Aktien sind die Anleger auch optimistisch mit Blick auf deren künftige Kursentwicklung. Drei Viertel der Umfrageteilnehmer gehen davon aus, dass die Kurse stabil bleiben oder leicht steigen. Im Vorquartal waren lediglich 48 Prozent dieser Meinung.

Niedrigzinsen als Dauerzustand
Was die Zinsentwicklung betrifft, sei für viele Sparer das Ende der Talfahrt noch nicht erreicht, heißt es im Begleittext der Union-Investment-Umfrage. Knapp ein Viertel (23 Prozent, Vorquartal 13 Prozent) geht sogar von weiter sinkenden Zinsen aus, 63 Prozent (Vorquartal 64 Prozent) glauben, das Zinsniveau bleibt stabil. Mit steigenden Zinsen rechnet auf absehbare Zeit so gut wie niemand mehr: Hier sank die Zustimmungsquote von 19 Prozent aus dem Vorquartal auf nur noch elf Prozent. (ps)