Gut ein Jahr ist es her, dass das Kleinanlegerschutzgesetz in Kraft trat. Es gibt der Bafin die Möglichkeit der "Produktintervention", die bis hin zum Produktverbot reicht. Genau diese Waffe hat die Finanzaufsicht jetzt gezückt: Aus Gründen des Anlegerschutzes beabsichtigt die Bonner Behörde, die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Bonitätsanleihen an Privatkunden zu untersagen (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Der Markt für diese Papiere ist durchaus groß: Zahlen des Deutschen Derivate Verbands zufolge hatten Ende Mai neun Anbieter Bonitätsanleihen für in Summe 6,3 Milliarden Euro ausstehen. Vor allem aber ist er zuletzt rasant gewachsen: Allein im vergangenen Jahr stieg das Volumen der ausstehenden Papiere um 1,5 Milliarden Euro, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres kamen weitere 600 Millionen Euro hinzu.

Zehntausendfache Falschberatung?
Das geplante Verbot trifft zwar viele Emittenten und Vertriebe, in erster Linie aber die Sparkassen: Die mit Abstand größten Emittenten sind die LBBW und die Deka, gemeinsam stehen sie für gut drei Viertel des Marktes – beide Anbieter vertreiben ihre Zertifikate fast ausschließlich über die Sparkassen. Es darf also mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass Bonitätsanleihen im Wert von knapp fünf Milliarden Euro in den Depots von Sparkassen-Kunden liegen. 

Die Bafin schreibt, die "Auswertung der Beratungsdokumentation" mache deutlich, dass den Kunden "die Funktionsweise der Produkte in der Regel nicht adäquat erklärt wird". Zwischen den Zeilen steht damit nicht weniger als der Vorwurf einer zehntausendfachen Falschberatung im Raum. Das darf durchaus als schallende Ohrfeige für die Sparkassen gewertet werden.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Ob es tatsächlich zu einer Falschberatung kam, muss immer im Einzelfall und vor Gericht entschieden werden. Wenn aber ein Anleger, der sich falsch beraten fühlt, im Zivilprozess auf die aufsichtsrechtlichen Bedenken der Bafin hinweist, dürfte das seine Chancen auf Schadenersatz erheblich verbessern.

Die Institute müssen also hoffen, dass bei den ausstehenden Papieren nichts schiefläuft. Manche Sparkasse oder Bank mag sogar überlegen, ihren Anlegern einen Rückkauf der Papiere anzubieten – dann wären die Fronten geklärt.

Muss der Vertrieb schon gestoppt werden?
Interessant ist auch die Frage, ob die Institute den Vertrieb von Bonitätsanleihen nun sofort anhalten müssen. Aufsichtsrechtlich ist das noch nicht nötig, schließlich hat die Bafin ihre geplante Allgemeinverfügung erst im Entwurf veröffentlicht und zu Stellungnahmen aufgerufen. Zivilrechtlich wäre es allerdings ein Risiko, die Papiere weiterhin anzubieten. Denn würde bei einem heute verkauften Zertifikat etwas passieren, könnte der betroffene Anleger vor Gericht wieder den "Bafin-Trumpf" ziehen.

Es gibt allerdings durchaus Banken, die dieses Risiko nicht sehen. Schließlich kündigte die Bafin ihre Untersuchung zu Bonitätsanleihen schon Anfang März an, und dennoch wurden im März, April und Mai unter dem Strich noch derartige Papiere für 300 Millionen Euro verkauft. Ein vorsichtiger Banker hätte den Vertrieb dieser Zertifikate wohl schon bei den ersten Bedenken der Aufsichtsbehörde eingestellt.

Etwas Mitleid mit den Banken ist angebracht
Allerdings ist es auch angebracht, zumindest ein klein wenig Mitleid mit den Banken zu haben. Viele Institute ärgern sich sicherlich, dass die Bafin derart offensiv für das Verbot der Bonitätsanleihen trommelt, statt ihre Bedenken in einzelnen Gesprächen mit den Beteiligten diskret zu erörtern. Denn selbst wenn die Branche die Aufseher davon überzeugen könnte, dass ein Produktverbot nicht nötig ist, dürften Bonitätsanleihen fortan als verbrannt gelten.

Die Bafin verteidigt ihr Vorgehen mit dem Argument, dass eine "öffentliche Anhörung" zwingend geboten war, schließlich zählen nicht nur Vertriebe und Emittenten zu den Betroffenen, sondern auch Anleger. Eine "Individualanhörung" wäre also gar nicht möglich gewesen. Dennoch hätten sich die Banken sicherlich eine weniger laute Kommunikation der Behörde gewünscht.

Die Bafin musste bei den Anlegerskandalen der vergangenen Jahre – sei es Prokon, Infinus oder S&K – viel Kritik einstecken. Jetzt sieht sie die Chance, sich als Anlegerschützer zu positionieren. Das bekommen die Banken nun deutlich zu spüren – vor allem die Sparkassen.