Mehrere Lebens- und Rentenversicherer setzen sich über ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hinweg und lehnen die Rückabwicklung alter Verträge unter Hinweis auf eine Verfassungsbeschwerde ab. Dies meldet der bei den Verbraucherzentralen angesiedelte Finanzmarktwächter. Die in diesem Fall zuständige Verbraucherzentrale Hamburg bezieht sich dabei auf Briefe an Versicherungsnehmern, die über die Beratungsstellen eingesammelt wurden.

Konkret monieren die Verbraucherschützer das Verhalten der Versicherer bei Lebens- und Rentenversicherungen, die zwischen 1994 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden. Bei diesen erlosch das Kündigungs- und Widerspruchsrecht des Kunden spätestens ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung – selbst dann, wenn er von diesem Recht gar nichts gewusst hatte.

BGH präzisierte Versicherungsvertragsgesetz
Der BGH sah das hingegen völlig anders. In einem Urteil vom 7. Mai 2014 entschieden die Richter, dass die Widerspruchsfrist nach dem Paragraf 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG a.F.) dann nicht gilt, "wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über dieses belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat."

Das ist in dem Zusammenhang wichtig, denn bei den betreffenden Policenmodellen erhielten die Kunden sämtliche Vertragsunterlagen erst, nachdem sie ihre Unterschrift geleistet hatten. Der BGH hatte seine Entscheidung am 29. Juli noch einmal dahin gehend präzisiert, dass Versicherer Abschluss- und Verwaltungskosten nicht einbehalten dürfen, die Kunden also mit höheren Rückzahlungen rechnen können.

Wie der Finanzmarktwächter weiter schreibt, würden konkret Aachen Münchner, Ergo, Generali und Provinzial sich in den vorliegenden Briefen an Kunden jedoch auf eine Verfassungsbeschwerde berufen, die die Allianz eingereicht hatte. Deshalb, so heißt es im Text, sei es "derzeit unklar, ob argumentiert die Ergo und sehr ähnlich auch die Generali. Die Provinzial-Versicherung schreibt: "Sie werden daher sicherlich nachvollziehen können, dass wir (…) Ihre Ansprüche erst anerkennen können, wenn diese höchstrichterlich durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurden."

Versicherer lehnt Ansprüche weiter ab
Der Pressemitteilung zufolge habe die Allianz jedoch schon am 1. März öffentlich bekannt gegeben, dass sie ihre Verfassungsbeschwerde zurückgezogen hat. Trotzdem liegt dem Marktwächter ein Schreiben der Generali von Mitte März vor, in dem der Versicherer weiterhin die Ansprüche unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde ablehnt.

"Juristisch ist es fraglich, ob berechtigte Ansprüche unter Hinweis auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde abgewimmelt werden können. Unter keinen Umständen kann eine zurückgenommene Verfassungsbeschwerde als Grund dafür herangezogen werden", sagt Sandra Klug, Juristin und Leiterin des Hamburger Marktwächter-Teams. (jb)