Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juni zu insgesamt vier Fällen wichtige Entscheidungen zur Ausgestaltung von Güteanträgen getroffen. Diese Anträge sind unter Juristen ein bekannter Kniff, um bei Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter Beratung die Verjährungsfrist zu verlängern (lesen sie dazu auch den Kommentar "Oberstes deutsches Gericht oder oberste Verbraucherschützer?" von FONDS professionell-Redakteur Jens Bredenbals). In einem aktuellen Urteil hat der BGH seine damals getroffene Entscheidung bestätigt und noch einmal konkretisiert. Im folgenden Originalbeitrag erläutert Rechtsanwalt Oliver Renner von der Stuttgarter Kanzlei Rechtsanwälte Wüterich Breucker, wie Vermittler erkennen können, ob der gegen ihn gestellte Güteantrag womöglich unwirksam ist – und was das Urteil für Anlegeranwälte bedeuten könnte. (jb)

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Schadensersatzansprüche von Kapitalanlegern wegen Falschberatung oder Prospekthaftungsansprüchen verjähren grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in zehn Jahren berechnet ab Zeichnung (absolute Verjährung) respektive in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in denen der Anleger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatten (relative Verjährung).

Wenn Verjährung eingetreten ist, kann ein Anspruch auf erklärte Einrede hin nicht mehr mit Erfolg durchgesetzt werden. Um dies zu verhindern, muss die Verjährung gehemmt werden. Um die Verjährung zu hemmen, wurden in vielen Fällen Güteanträge bei Gütestellen gestellt oder ein Mahnbescheid beantragt. Fraglich ist aber, ob diese Anträge die Verjährung wirksam gehemmt haben.

Mahnbescheid
Nach Paragraf 688 Absatz 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung ist ein Mahnverfahren nicht statthaft, wenn die mit dem Mahnbescheid geforderte Zahlung nur Zug um Zug zu erbringen ist. Dies ist im Zweifel bei Schadensersatzansprüchen von Anlegern der Fall, da diese eine Rückzahlung der investierten Gelder nur Zug um Zug gegen (Rück-)Übertragung der gezeichneten Anlege verlangen können.

Umstritten war bislang in der Rechtsprechung, ob bei falscher Angabe im Mahnbescheidsantrag die Verjährung wirksam gehemmt wird. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 23. Juni 2015 (Aktenzeichen: XI ZR 536/14) entschieden, dass sich ein Anleger durch Zustellung des Mahnbescheids nicht auf die Verjährungshemmung berufen kann, wenn im Mahnverfahren bewusst falsche Angaben gemacht worden sind. Dies stelle einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar.

Güteantrag
Umstritten war bislang, welche Anforderungen an den Inhalt eines Güteantrages zu stellen sind, damit dieser wirksam die Verjährung hemmt. Der Bundesgerichtshof hat am 18. Juni 2015 in vier Entscheidungen Verjährung angenommen, da die Güteanträge nicht ausreichend individualisiert waren (Az. III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14).

Mit Urteil vom 3. September 2015 (Az. III ZR 347/14) hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsauffassung nochmals eindrücklich bestätigt und weitergehend konkretisiert. Der Güteantrag muss danach hinreichend individualisiert sein, um die Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Nach dem Bundesgerichtshof hat der Güteantrag in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen. Zudem ist ein ungefährer Beratungszeitraum anzugeben und Hergang der Beratung muss mindestens im Groben umrissen werden. Letztlich ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest so zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist, wenn auch eine genaue Bezifferung nicht erfolgen muss.

Wenn in einem Güteantrag als individuelle Angaben lediglich der Name des Anlegers sowie der Anlagefonds genannt werden, reicht dies nicht aus. Eine unzureichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs kann letztlich nach Ablauf der Verjährungsfrist verjährungshemmend nicht mehr nachgeholt werden.

Fazit
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs haben eine ambivalente Wirkung: Der verklagte Berater sollte genau prüfen, ob der gegen ihn gestellte Güteantrag hinreichend individualisiert war respektive was mit dem Mahnbescheid beantragt wurde. Hier gilt es, gerade den Blick auf juristische Feinheiten zu legen. Klagen könnten daher alleine schon deshalb abgewiesen werden, da die Verjährung nicht wirksam gehemmt worden ist.

Der klagende Anleger hingegen muss, falls seine Klage mangels wirksamer Verjährungshemmung abgewiesen wurde prüfen, ob er gegebenenfalls Regressansprüche gegen seine Anwälte hat. Hier könnte Anlegerschutzanwälten durchaus eine Regresswelle drohen.