Während sich in den USA der Konjunkturausblick wegen des starken US-Dollars eingetrübt hat, sind die Erwartungen in Europa zuletzt weiter gestiegen. Das billige Öl, die niedrigen Zinsen und der schwache Euro haben die Kurse stark befeuert. Die Gewinnerwartungen für die Unternehmen sind ebenfalls gestiegen. Alle drei Faktoren sind allerdings nicht stabil. Der Ölpreis und die Zinsen sind gestiegen und der Euro hat gegenüber dem US-Dollar Boden gut gemacht. "Die Unternehmensgewinne dürften in der Eurozone zwar steigen, aber nicht so stark wie es zuletzt erwartet wurde", sagt Wolfgang Juds, Geschäftsführer der Credo Vermögensmanagement GmbH. Das erkläre, warum europäische Indizes wie DAX und EuroStoxx 50 stärker verloren haben als amerikanische Aktien.

In den USA sind die Gewinne je Aktie vor allen dank der hohen Aktienrückkaufprogramme gestiegen, so Juds. "Weil die Zinsen so derart niedrig sind, begeben die Unternehmen in großem Stil neue Unternehmensanleihen zu historisch günstigen Konditionen. Mit diesem zusätzlich aufgenommenen Kapital werden die Aktien dann zurückgekauft", erklärt er. Weil sich die Unternehmensgewinne auf weniger Aktien als bisher verteilten, steige der Gewinn je Aktie zwangsläufig an. Die fehlenden Produktivitätsfortschritte und die mangelnden Investitionen hingegen gefährdeten die Gewinne in der Zukunft. "Die Unternehmensgewinne dürften zukünftig deutlicher schwanken, weil sie von der Zinsentwicklung stark beeinflusst werden", so der Vermögensverwalter. "Kurzfristig steigen die Gewinne zwar an, aber auf lange Sicht werden die Unternehmen anfälliger als bisher."

Unternehmensgewinne könnten fallen
Wenn die Unternehmensgewinne künftig stärker schwankten, seien Dividenden keinesfalls so sicher, wie es vielfach darstellt werde. "Aktien sind eine Anlageklasse und Renten eine andere. Beide haben unterschiedliche Chance-Risiko-Profile", betont Juds. Aktuell sei die Dividendenrendite im DAX deutlich höher als die Rendite von Bundesanleihen. Das Risiko bestehe jedoch darin, dass die Unternehmensgewinne fallen können, wenn die Zinsen wieder steigen. "Über diese wechselseitige Abhängigkeit sollte Klarheit bestehen", so Juds.

Bei einem Zinsanstieg wie jenem in den vergangenen Wochen könnten die Kursrückgänge bei Anleihen sogar höher ausfallen als bei Aktien. Jedes Unternehmen müsse gesondert analysiert werden. "Dividendenstarke Aktien, bei denen das Geschäftsmodell stabile Erträge hervorbringt, können einen wichtigen Beitrag für die Stabilität des Depots liefern", sagt der Vermögensverwalter. "Unternehmen aus den Bereichen Konsum und Gesundheitswesen sowie Ölwerte und Telekommunikations-Aktien können solide Ausschüttungen bringen. Es bedarf jedoch einer klugen Anlagepolitik, um die richtigen Aktien auszuwählen, die die gewünschte Stabilität ins Depot bringen sollen." (fp)