Die Honorarberatung oder Honorarvermittlung von Versicherungen führt weiter ein Mauerblümchendasein. Anders kann man die Lage nicht bezeichnen, wenn man die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Studie "Nettotarifangebot deutscher Versicherungs-Unternehmen“ betrachtet. Nur wenige Versicherer bieten demnach überhaupt Tarife an, die ohne Provisionen berechnet werden, sodass auch der Anteil der Tarife am Neugeschäft unverändert in einem sehr niedrigen Bereich liegt.

Auch für die Zukunft sieht es nicht gut aus: Die im vergangenen November und Dezember befragten 44 Versicherer, die einen Marktanteil von 85 Prozent haben, schätzen die Bedeutung der Nettotarife als unbedeutend ein. Eine gewisse Ausnahme sind Netto-Lebenspolicen – hier sorge die Regulierung zumindest für eine gewisse Angebotspalette.

In konkreten Zahlen ausgedrückt bieten nur 17 Versicherungsgesellschaften oder 39 Prozent der Stichproben-Teilnehmer Netto-Lebenspolicen an. Im Schadensbereich sind es nur drei Unternehmen, bei Krankenversicherungen gar nur eine Gesellschaft. Allerdings möchten fünf Lebens- und je zwei Schaden- und Krankenversicherer innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre solche Tarife einführen.

Marktanteile im Promillebereich
Das winzige Angebot schlägt sich nach den Ergebnissen der beiden Studienautoren Professor Matthias Beenken und Professor Sabine Wende natürlich auch auf den Anteil der provisionsbereinigten Tarife im Neugeschäft nieder. Gewichtet nach Marktanteilen liegt ihr Anteil am Neugeschäft bei 3,1 Promille in der Sparte Leben und bei jeweils 0,1 Promille im Kranken- und Schadensbereich.

Der Ausblick für die Zukunft ist zwar besser, aber keineswegs rosig. Die Unternehmen räumen Nettotarifen in den kommenden fünf Jahren zumindest eine höhere Bedeutung als aktuell ein. Auf einer Skala von 1 (keine Bedeutung) bis 7 (sehr hohe Bedeutung) erreichte der Bereich Leben immerhin eine 4. Die Sparten Kranken (2,89) und Schaden (3,09) werden aber wohl auch 2021 hier unbedeutend bleiben.

LVRG sorgt für größere Beachtung von Nettotarifen im Lebensbereich
Die Studie ist auch den Ursachen für die Fokussierung der Nettotarife im Lebensbereich nachgegangen. Den beiden Autoren zufolge spielt hier die einmalige und oft recht hohe Abschlussprovision traditionell eine besondere Rolle. "Sie reizt daher dazu an, durch Honorargestaltungen Arbitrage zu betreiben und Kunden anzulocken, die sich eine Ersparnis gegenüber der proportional zur Beitragssumme berechneten Provision versprechen", heißt es im Text. Umgekehrt biete die in der Schadenversicherung übliche vollständige oder teilweise laufende Provision keinen vergleichbaren Anreiz, durch ein Honorar ersetzt und abgesenkt zu werden.

Zudem habe die Niedrigzinsphase die generelle Attraktivität der Lebensversicherung gesenkt. Daher erscheint es den Autoren plausibel, dass die betroffenen Unternehmen im Wettbewerb um das wegbrechende Neugeschäft herum auch Marktnischen ansprechen. Zumal Nettotarife in der Lebensversicherung seit der Einführung des Lebensversicherungsreformgesetzes, das die Zillmerung einschränkt, attraktiver sind: Durch den gesunkenen finanziellen Spielraum entstehe ein Anreiz, die überwiegend durch die Vermittlung verursachten Abschlusskosten ganz zu vermeiden und in die Sphäre des Honorarvermittlers zu verlagern. (jb)