Sie wurde am 21. März ohne großes Aufsehen eingeführt. Die Knackpunkte fielen erst richtig auf, als sie schon Wochen in Kraft war, nun hat sie ihr erstes Quartal hinter sich: die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, kurz WIKR. Zeit für einen Reallitäts-Check, ob sich die Befürchtungen, die Finanzberater, Rechtsexperten und verschiedene Geldinstitute kurz nach der Einführung hegten, bestätigen.

"Auf Endkundenseite stellen wir fest, dass die WIKR einigen Personengruppen die Bildung von Wohneigentum erschwert", erklärt Michael Neumann, Geschäftsführer des Maklerpools Qualitypool aus Lübeck. Vor allem für Rentner und ältere Kreditnehmer sei es schwieriger geworden, eine Baufinanzierung zu bekommen. Der Grund: Die Finanzierung muss innerhalb der statistischen Lebenserwartung des Bankkunden zurückgeführt werden.

Hohe Tilgung zwingend erforderlich
"Bei Ruheständlern wird dafür die überschaubare statistische Rentenerwartung herangezogen", erklärt Neumann. Bei älteren, noch berufstätigen Kreditnehmern setzten viele Banken stillschweigend voraus, dass der Immobilienkredit bereits vor Renteneintritt abbezahlt ist. "50- oder 55-jährige Darlehensnehmer müssten daher eine extrem hohe Tilgung leisten, um überhaupt eine Finanzierung zu erhalten", erklärt der Maklerpool-Chef. Ältere Bürger sind nur eine Gruppe, die es seit dem Inkrafttreten der WIKR schwerer hat, Immobilienkredite abzuschließen. Die Ursache hierfür ist im Wesentlichen auf zwei Aspekte der Richtlinie zurückzuführen.

Zum einen müssen Geldinstitute streng darauf achten, dass die Finanzierung über die gesamte Laufzeit zurückgezahlt werden kann. Fällt der Kredit aus, haftet die Bank. Zum anderen dürfen die Finanzierer ihre Entscheidung für eine Kreditvergabe nicht mehr hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Immobilie über das Finanzierungsvolumen hinausgeht. Auchn dass Darlehen dafür verwendet werden, um den Wert der Immobilie zu steigern – etwa durch Sanierung oder Renovierung – darf nicht als wesentliches Argument angeführt werden.

Junge Arbeitnehmer kommen schwer an Kredite
"Darlehensnehmer müssen daher über ausreichend Eigenkapital verfügen", erklärt Neumann. Ist dies nicht der Fall, bekommen sie nur sehr schwer einen Kredit. Selbst dann, wenn sie in einer wertvollen Immobilie wohnen, die sie umbauen möchten. "Geringverdiener und auch junge Arbeitnehmer, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, haben damit Probleme, sich Wohneigentum aufzubauen", fürchtet Neumann.

Ebenso wie der Qualitypool-Chef sieht auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) die Richtlinie drei Monate nach der Umsetzung kritisch. "Obwohl das neue Gesetz zur Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie erst wenige Wochen in Kraft ist, zeichnen sich bereits gravierende Probleme ab", erklärt eine Sprecherin.
 
Mögliche Ausnahmen zulassen
Die Vorgabe, dass Banken private Immobilienkredite nur noch vergeben dürfen, wenn Darlehensnehmer ihren Verpflichtungen wahrscheinlich vertragsgemäß nachkommen können, sei "im Grundsatz vernünftig". Sie führe bisweilen jedoch dazu, dass Banken wirtschaftlich durchaus vertretbare Kreditwünsche von Kunden in bestimmten Lebenssituationen nicht mehr bedienen. "Der BVR hält es daher für dringend erforderlich, dass der deutsche Gesetzgeber die in der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie möglichen Ausnahmen auch anwendet", heißt es beim Verband.
 
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) reagiert gelassener: "Das Gesetz ist erst seit wenigen Wochen in Kraft, wir müssen die Marktentwicklung abwarten", erklärt ein Sprecher. Es enthalte an mehreren Stellen unbestimmte Rechtsbegriffe. "Diese lassen teilweise erhebliche Interpretationsspielräume zu und führen damit zu erheblicher Rechtsunsicherheit", heißt es.
 
Große Banken sehen kaum Schwierigkeiten
Die großen deutschen Banken hingegen erkennen hingegen kaum Probleme. "Wir stellen keine großen Auswirkungen fest", sagt Peter Czauderna, Leiter Immobilienfinanzierung im Privatkundengeschäft der Hypovereinsbank. Der Grund: Gerade bei Baufinanzierungen werde grundsätzlich darauf geachtet, dass der Kunde sie nachhaltig bedienen könne.
 
Ähnlich antwortet die Deutsche Bank auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE. "Wir beobachten bisher keine merklichen Veränderungen hinsichtlich des Verhältnisses von zugesagten und abgelehnten Baufinanzierungsvorhaben", sagt ein Sprecher. Diese Tatsache erkläre sich vor allem daraus, dass das Institut seine Kunden schon immer "sehr individuell und unter Berücksichtigung ihrer Gesamtsituation" beraten habe. "Allerdings spüren auch wir den zusätzlichen formalen Aufwand bei den Nachweis- und Dokumentationserfordernissen", heißt es.
 
"Weisen auf Risiken noch deutlicher hin"
Die Commerzbank spürt bislang ebenfalls keine negativen Auswirkungen der WIKR. "Im Rahmen unserer Kreditvergabe haben wir schon bisher immer die langfristige Zahlungsfähigkeit unserer Kunden geprüft und nicht nur die Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Kreditvergabe oder die Werthaltigkeit der Immobilie", sagt ein Sprecher. Dennoch will man nicht zuviel riskieren: "Seit Inkrafttreten der Richtlinie weisen wir unsere Kunden noch deutlicher auf die möglichen Risiken hin, die mit der Aufnahme einer Baufinanzierung verbunden sind." (am)