Der Höhenflug der Börsenkurse in den vergangenen Jahren hat viele aktive Asset Manager vor den Folgen der sich verschärfenden Konkurrenz durch günstige, börsengehandelte Indexfonds (ETFs) gerettet. Dies sagte Martin Gilbert, Vorstandschef des frisch fusionierten Fondsanbieters Aberdeen Standard Investments, im Interview mit der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt". "Viele Asset Manager konnten mehr Gebühren einnehmen und damit Verluste vermeiden", erläuterte Gilbert.

Traditionelle Fondsmanager sehen sich einem wachsenden Wettbewerb durch passive Produkte ausgesetzt. Anleger ziehen ihr Vermögen verschärft aus aktiven Investments ab und stecken das Geld in günstigere ETFs. Angesichts der Kursturbulenzen seit dem Frühjahr erlitt das Wachstum der Indexfolger allerdings einen Dämpfer.

Mit dem Bärenmarkt beginnt die Konsolidierung
Die hohen Bewertungen an den Aktienmärkten hätten zudem die Zahl der Fusionen und Übernahmen in der Fondsindustrie gehemmt, meint Gilbert. "Ein Bärenmarkt ist überfällig", sagte der schottische Manager. Aber die Börsen müssten schon stark fallen, denn in der Branche betrage die Gewinnmarge 40 Prozent. "Da gibt es Luft", ergänzte Gilbert. "Fast eine Halbierung der Kurse an den Märkten würde die Industrie schultern können. Erst danach befinden sich manche Häuser in Lebensgefahr." Dies könnte zu einer Konsolidierung in der Branche führen.

Gilberts Haus Aberdeen hatte vergangenes Jahr den Zusammenschluss mit dem ebenfalls schottischen Finanzdienstleister Standard Life angekündigt. Gilbert lenkt das Unternehmen seit der Fusion zusammen mit dem Standard-Life-Chef Keith Skeoch. Im Frühjahr 2018 kündigten die beiden dann an, das von Standard Life eingebrachte Versicherungsgeschäft zu verkaufen und das Unternehmen zu einem reinen Asset Manager umzubauen. Das Haus verwaltet ein Vermögen von rund 650 Milliarden Pfund.

Weitere Übernahmen angepeilt
Trotz der Großfusion peilt Gilbert aber weitere Zukäufe an. "Wir sind tatsächlich zu klein in den USA", sagte der Schotte. "Standard Life Aberdeen will deshalb in Übersee wachsen. Egal ob organisch oder anders." Eine größere Übernahme stehe aber noch nicht an. Zunächst müsste die Integration von Aberdeen und Standard Life gestemmt werden. "In diesem Jahr geht definitiv nichts", sagte Gilbert dem "Handelsblatt". Allenfalls kleinere Zukäufe seien denkbar.

Aberdeen Standard will also bei einer Konsolidierung in der Branche kräftig mitmischen. Der hemdsärmelige Gilbert gilt als Deal-Macher. Ob Analysten, Anteilseigner und Kunden nach der Großfusion diesen aggressiven Übernahmekurs gutheißen, darf mit Spannung erwartet werden. Immerhin verlor das Haus durch den Zusammenschluss bereits einen Großkunden: die Lloyds-Tochter Scottish Widows hatte ein 100-Milliarden-Mandat von Aberdeen abgezogen. (ert)