Die deutschen Lebensversicherer müssen sich immer weiter strecken, um angesichts der Minizinsen die Garantieverpflichtungen aus laufenden Policen erfüllen zu können. Experten zeigen sich deshalb zunehmend besorgt. 

So ist im Branchenschnitt die zur Vermeidung von Verlusten bei Rohüberschüssen nötige Kapitalrendite der Versicherer im vergangenen Jahr um 0,31 Prozentpunkte auf 3,22 Prozent gestiegen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Rating-Agentur Assekurata, die 75 deutsche Lebensversicherer einem "EKG-Check" unterzogen hat. Die Analysten weisen aber auch darauf hin, dass diese Anforderungen bei den einzelnen Versicherern sehr unterschiedlich ausfallen.

"Der EKG -Check ist dabei nicht nur sinnbildlich zu verstehen, sondern steht für den Begriff Ertragskraft-Garantie-Check", erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei der Assekurata. Der Autor der Untersuchung ergänzt: "Für die Studie haben wir einige neue Kennzahlen und Auswertungen entwickelt, die in üblichen Marktvergleichen bislang praktisch nicht verwendet werden, für die Einordnung der Anbieter im aktuellen Branchenumfeld aber eine hohe Aussagekraft haben."

Break-Even-Nettoverzinsung gestiegen
Ein Beispiel hierfür ist laut Assekurata die Break-Even-Nettoverzinsung, welche die grundsätzliche Abhängigkeit der Lebensversicherer von ihrem Kapitalanlageergebnis widerspiegelt. Je höher die Kennzahl ausfällt, desto mehr Kapitalanlagerendite muss ein Lebensversicherer erzielen, um Verluste bei den Roherträgen zu vermeiden.

Infolge der hohen Rechnungszinsanforderungen aus Altgarantien und der Zinszusatzreserve (ZZR) steigt die Break-Even-Nettoverzinsung in der Branche immer weiter an. Im Geschäftsjahr 2015 lag sie mit durchschnittlich 3,22 Prozent auf dem bisher höchsten Niveau. Dies bedeutet, dass eine Nettoverzinsung unterhalb von 3,22 Prozent rechnerisch zu einem negativen Branchen-Rohüberschuss geführt hätte.

"Angesichts der schwierigen Zinsbedingungen ist diese Renditeanforderung auf lange Sicht äußerst herausfordernd, zumal sie in den kommenden Jahren wegen der Zinszusatzreserve weiter steigen dürfte", prognostiziert Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. "Schon im Jahr 2015 fiel bei rund der Hälfte der Marktteilnehmer die ZZR-Zuführung höher aus als der danach verbleibende Rohüberschuss." Anhand aktueller Hochrechnungen in der Studie prophezeit Assekurata bis zum Jahr 2025 branchenweit ein ZZR-Volumen von  satten 150 bis 240 Milliarden Euro.

Unterschiedliche Lage bei Versicherungsgesellschaften
Die Anforderungen an den Kapitalanlageertrag fallen zwischen den Anbietern aber sehr unterschiedlich aus und hängen stark vom individuell vorhandenen Geschäftsmix ab. "Von den Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes sind insbesondere Lebensversicherer mit hohen garantiefordernden Altbeständen im Altersvorsorgebereich betroffen, so dass die Break-Even-Nettoverzinsung bei einem Dutzend Anbieter oberhalb von vier Prozent liegt", schildert Lars Heermann. "Einige Gesellschaften mit anders gelagertem Geschäftsprofil profitieren dagegen von einer viel geringeren Break-Even-Nettoverzinsung und könnten sich zum Teil sogar eine negative Nettoverzinsung leisten."  So stehen die Allianz, Ergo oder die R+V im Branchenvergleich gut da (siehe Grafik und Erläuterungen am Textende).

Die unterschiedlichen Bestandsvoraussetzungen spiegeln sich außerdem auch in den Rechnungszinsanforderungen der Gesellschaften wider. Dabei reichten im Jahr 2015 bei immerhin 20 Unternehmen die anzurechnenden Kapitalerträge aus den vereinnahmten Kundengeldern im Sinne der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) nicht mehr aus, um die Rechnungszinsverpflichtungen vollständig zu bedienen. "Diese erhöht den Druck auf alternative Ergebnisquellen und lässt die Querverrechnungsgefahr zwischen den Ergebnistöpfen steigen", kommentiert Heermann. Hiervon seien dann auch die Kunden einer Risikolebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung betroffen, die im Falle einer Querverrechnung aus dem Risikoergebnis mit höheren Beiträgen zu rechnen hätten.

Erläuterung: Um die Wechselwirkungen zwischen Ertragskraft und Garantie messbar und zwischen den Anbietern vergleichbar zu machen, hat Assekurata für die Studie das Ertragskraft -Garantie- Profil (EKG -Profil) und die Ertragskraft-Garantie- Quote (EKG -Quote) gebildet. Diese gleichen als Standhaftigkeits-Indikatoren die bestehenden Rechnungszinsanforderungen mit der vorhandenen Ertragskraft ab, wobei neben der Kapitalanlage auch die weiteren Ergebnisquellen und die anteiligen Bewertungsreserven berücksichtigt werden. Beim EKG-Profil werden sowohl die definierte Ertragskraft als auch die bestehenden Rechnungszinsanforderungen einheitlich an der Deckungsrückstellung als Bezugsgröße relativiert und in ein Koordinatensystem für die einzelnen Lebensversicherungsgesellschaften überführt. Von Vorteil ist jeweils eine Position möglichst weit links oben, da diese auf eine geringe Rechnungszinsanforderung (links) und eine insgesamt hohe Ertragskraft (oben) hindeutet.