Auch 2017 sorgen Solvency II und das Niedrigzinsumfeld dafür, dass den Lebensversichern nicht langweilig wird. Ein wichtiger Grund hierfür sind die Zuführungen zur Zinszusatzreserve (ZZR), die die Bilanzen der Gesellschaften mehr und mehr belasten. Zugleich profitieren aber Anbieter von Fondspolicen von dieser Entwicklung, wie die Ratingagentur Assekurata in ihrem Marktausblick zur Versicherungswirtschaft 2017/2018 ausführt.

Im Detail schreiben die Analysten, dass auch im laufenden Jahr die Zuführungen zur ZZR steigen werden – ohne aber eine konkrete Zahl nennen zu können. Bereits für das Bilanzjahr 2016 haben die deutschen Lebensversicherer aber weitere 13 Milliarden in der ZZR hinterlegt, was eine erneute Höchstzuführung bedeutet. Somit beläuft sich der ZZR-Bestand branchenweit mittlerweile auf etwa 45 Milliarden Euro.

Prekäre Situation
Die Wirkung der Reserve, die als Stärkungsmittel für die langfristige Erfüllbarkeit der Garantieversprechen und dadurch der bilanziellen Widerstandsfähigkeit der Anbieter gedacht ist, zeigt ein Blick in den durchschnittlichen Garantieanspruch der Lebensversicherungsbestände: ohne Berücksichtigung der ZZR lag die durchschnittliche Garantieverzinsung Ende 2016 bei 2,89 Prozent. Unter Hinzunahme der bereits zurückgestellten Beträge reduziert sich diese auf 2,32 Prozent. Der Grund: Die ZZR wird von den Rohüberschüssen der Versicherer abgezogen, was den Spielraum für die Erwirtschaftung von positiven Kapitalergebnissen erschwert.

Damit erhöht sich laut Assekurata auch die Wahrscheinlichkeit, dass künftig immer mehr Lebensversicherer nach Stellung der ZZR kein positives Kapitalanlageergebnis mehr darstellen können. Inwiefern die Zuführungen bereits heute die Ertragslage und damit die Finanzkraft der Anbieter belasten, belegt die folgende Abbildung, in der die branchenweiten ZZR-Zuführungen mit den (anschließend verbleibenden) erwirtschafteten Rohüberschüssen abgeglichen werden.

Überlebensfähigkeit infrage gestellt
Aufgrund dieses Szenarios ist der Ratingagentur zufolge öffentlich eine Diskussion darüber entsponnen, wie lange die Unternehmen unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt noch "durchhalten" können. Denn rückblickend sei der Zins deutlich schneller gesunken, als ursprünglich in Szenariorechnungen erwartet worden war. Bei Einführung der ZZR waren Experten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft noch davon ausgegangen, dass der Referenzzins zur ZZR-Berechnung im "worst case" im Jahr 2018 bei 2,94 Prozent liegt. Diese Annahme sei schon 2015 mit 2,88 Prozent unterschritten worden, und bei Fortschreibung des aktuellen Niveaus dürfte der Zins Ende 2017 bei 2,21 Prozent liegen.

"Unter den aktuellen Rahmenbedingungen werden die ZZR-Anforderungen in der Breite kaum vollständig zu stemmen sein", warnt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung der Assekurata. "Es ist daher dringend erforderlich, die Berechnungsmethodik der ZZR zu überdenken. Doch letztlich liegt die Verantwortung hier beim Gesetzgeber, der nach der Bundestagswahl zeitnah für klare und zukunftsfähige Verhältnisse sorgen sollte. "

Ruf nach präziseren Solvency-Reports
Die Garantiezinsbelastungen im Niedrigzinsumfeld bedeuten ferner, dass sich der Fokus vieler Marktakteure bei der Analyse und Interpretation der im Mai erstmals veröffentlichten Berichte zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR) vornehmlich auf die Lebensversicherung richtet. "Hier konnten wir insbesondere bei den Solvenzquoten große Unterschiede zwischen den Versicherern feststellen", so Assekurata- Geschäftsführer Reiner Will.

Sie verteilen sich im aufsichtsrechtlichen Nachweis zum Stichtag 31. Dezember 2016 von etwas über der Mindestgröße von 100 Prozent bis weit über 1.000 Prozent – dabei liegt der arithmetische Durchschnitt basierend auf den Daten von 81 Unternehmen bei gut 380 Prozent. Ohne Übergangsmaßnahmen gehe die Quote um etwa 160 Basispunkte auf gut 220 Prozent zurück.

Die folgende Grafik der Analyseplattform Solvency Data verdeutlicht laut Assekurata diese Effekte. Darin wird die Branchenverteilung der Solvenzkapital-(SCR- Quote) und der Mindestkapitalquote (MCR -Quote) in Form von Boxplot -Diagrammen visualisiert.

Die so genannte "Basis SCR-Quote" stellt die Bedeckungsquote ohne Übergangsmaßnahmen und auch ohne Volatilitätsanpassung dar. Ihr Durchschnitt liegt bei rund 200 Prozent. Doch auch hinsichtlich der Qualität mit Blick auf die Aussagekraft, Verständlichkeit, Lesbarkeit und Fehlerfreiheit weichen die Berichte stark voneinander ab.

Somit wird der Ruf nach einer stärkeren inhaltlichen Reglementierung der SFCR -Berichte seitens der Aufsicht lauter, um den Grad der (Experten -)Transparenz zu erhöhen. "Denn Laientransparenz wird sich mit den SFCR-Berichten wegen der hohen Komplexität und Informationsvielfalt des neuen Aufsichtsregimes ohnehin kaum herstellen lassen", so Will.

Fondsgebundene Produkte erleben neuen Aufschwung
Gleichzeitig zwingt das anhaltende Niedrigzinsumfeld immer mehr Anbieter dazu, der klassischen Lebensversicherung den Rücken zu kehren und sich weniger zinsfordernden Produkten zuzuwenden. So rücken Biometrieprodukte verstärkt in den Fokus, und auch fondsgebundene Policen verzeichnen wieder ein leichtes Wachstum.

Nach einem Vertrauensverlust in die Aktienmärkte infolge der Finanzkrise 2008 hatten sich viele Kunden von dieser Altersvorsorgevariante abgewendet. Doch der kontinuierliche Anstieg der Aktienperformance führt auch bei den Versicherungskunden wieder zu einer erhöhten Risikobereitschaft, die sich in der Abkehr von klassischen hin zu  reinen Fondsprodukten erkennen lässt, wenngleich noch auf zaghaftem Niveau. Diese Entwicklung ist in der nachstehenden Grafik zu erkennen, bei der die orangefarbene Linie die Anzahl neu abgeschlossener Fondspolicen abträgt. (jb)