Die Konsolidierung in der Investmentindustrie schreitet voran. 2021 entwickelte sich zum Rekordjahr bei Fusionen und Übernahmen. Spezialisierte Boutiquen wechseln zum Teil für Milliardenbeträge den Besitzer. Von welchen Überlegungen die Zukäufe geleitet werden und welche Fallen bei der Integration lauern, erläutert Kamil Kaczmarski von der Unternehmensberatung Oliver Wyman im Interview mit FONDS professionell ONLINE.


Herr Kaczmarski, immer wieder melden Fondsanbieter den Kauf oder das Zusammengehen mit einem Konkurrenten. Warum wächst der Übernahmeappetit?

Kamil Kaczmarski: Einer Übernahme oder Fusion liegen verschiedene Motivationen zugrunde. Zum einen geht es um Skaleneffekte. Wichtige Teile des Asset Managements sind tatsächlich ein Skalengeschäft, etwa börsengehandelte Indexfonds oder Fonds auf Standardaktien mit hoher Marktkapitalisierung. Hier lassen sich bei einem Zusammenschluss durch den Abbau von Überschneidungen Kosteneinsparungen um 25 bis 30 Prozent erzielen.

Kosten zu sparen ist also das Hauptmotiv?

Kaczmarski: Nein, nicht immer. Eine weitere Motivation ist der Ausbau der Geschäftsfelder und Kompetenzen. Da wäre die geografische Erweiterung zu nennen. Ein Beispiel sind US-amerikanische Asset Manager, die europäische Gesellschaften übernehmen, um sich eine regionale Präsenz aufzubauen. Zudem kann es um eine Ergänzung der Investmentexpertise gehen, etwa im Bereich alternative Investments. Dies kann über den Zukauf von spezialisierten Boutiquen erfolgen.

Nach manchen Deals sind Mittelabzüge durch die Kunden zu beobachten. Was sind die Gründe dafür?

Kaczmarski: Institutionelle Investoren bevorzugen eine Stabilität bei Investment-Teams. Bei manchen Zusammenschlüssen zögerte sich hinaus die Entscheidung hinaus, wer welche Strategie leitet und wie sich die Teams zusammensetzen. Mitunter war sogar bis in die obere Führungsebene hinein nicht klar, wer welchen Bereich leitet. Oft wurde erst im Zuge der Integration darüber entschieden. Damit blieben die Dinge lange Zeit in der Schwebe, was sowohl die Mitarbeiter als auch die Kunden verunsicherte.


Welche Asset Manager nach einem Zusammenschluss jahrelang unter Mittelabzügen leiden, lesen Sie in FONDS professionell 1/2022 ab Seite 352. Angemeldete Nutzer finden den Artikel auch hier im E-Magazin.


Die Ungewissheit über die Aussichten im Unternehmen lähmte also die Motivation der Mitarbeiter?

Kaczmarski: Bei einem Zusammenschluss kommt es vor, dass Menschen auf die Reise mitgenommen werden, das Unternehmen dann aber verlassen müssen. Es sollte frühzeitig klar sein, wer Teil der Reise ist und wer nicht. Ein weiterer Knackpunkt sind die Fragen der operativen Plattform. Welche IT-Systeme sollen im gemeinsamen Haus angewendet werden? Wo soll der Hauptsitz sein? Im Laufe der Verhandlungen sollten solche Fragen auf den Tisch kommen. Diese sollten geklärt sein, sodass am Ende keine böse Überraschung droht. Einige Deals wurden sogar schon gestoppt, weil beide Seiten über solche Fragen keine Einigung erzielen konnten.

Entscheiden die Parteien bei einem Zusammenschluss nun früher?

Kaczmarski: Aus solchen Fehlern haben die Asset Manager gelernt. Nunmehr entscheiden die Parteien meist frühzeitig, wer welches Team leitet. Sie schaffen möglichst früh Klarheit.

In manchen Fällen fließt schon seit Jahren Geld aus vereinten Häusern ab. Besteht die Möglichkeit, dass solche Deals rückabgewickelt werden?

Kaczmarski: In der Vergangenheit finden sich Beispiele, bei denen es zu Nettomittelabflüssen kam. Ich glaube jedoch nicht, dass deswegen diese Transaktionen zurückgedreht werden. Vielmehr kommt es darauf an offen zu kommunizieren, warum diese Deals sinnvoll waren. Die Vorteile des Zusammenschlusses müssen zeitweilige Mittelabzüge übersteigen.

Vielen Dank für das Gespräch (ert).