Die Serie an Hiobsbotschaften aus der Welt der virtuellen Währungen reißen nicht ab. Eventuell gibt es sogar einen weiteren handfesten Betrugsfall. Erneut dabei im Fokus steht QuadrigaCX, ein Umschlagplatz für diverse Kryptowährungen, die vor rund vier Wochen schon einmal Schlagzeilen machte.

Damals war publik geworden, dass die Betreiber der Börse nicht mehr ans Geld der Kunden herankommen. Hintergrund: Firmengründer Gerald Cotten war im vergangenen Dezember angeblich verstorben und wohl der Einzige, der das zentrale Passwort für jenen Bereich der Börse kannte, in dem das Kundengeld verwaltet wird.

Nun berichten Medien wie "Spiegel Online" übereinstimmend, dass kein Geld mehr vorhanden sei – die Rede ist immerhin von 190 Millionen US-Dollar. Cotten habe die Kundenguthaben "aus Sicherheitsgründen" offline auf seinem privaten Laptop gesichert, in sogenannten "Cold Wallets". Doch wie sich jetzt zeigt, sind diese allesamt leer. Herausgefunden haben das Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (E&Y), wie "Bloomberg" zuerst berichtet. Sie wurden im Gläubigerschutzverfahren von einem kanadischen Gericht beauftragt, die Finanzen von QuadrigaCX zu durchleuchten.

"Versehentliche" Transaktionen
Laut "Spiegel Online" haben die Prüfer sechs Wallets eindeutig der Kryptobörse zuordnen können, drei weitere könnten ebenfalls der Firma von Cotten gehört haben. Das vorläufige Ergebnis ihrer Analyse ist schockierend: Alle sechs Wallets sind ohne Inhalt, wie der Verlauf der Transaktionen zeige, die über Blockchain-Analysen nachzuvollziehen sind. Ein Zugriff auf die Wallets selbst sei dafür nicht nötig gewesen. Mit der Methode haben die Prüfer auch herausgefunden, dass die drei weiteren zur Disposition stehenden Wallets derzeit ebenfalls keine Kryptowährungen enthalten.

Die Untersuchung hat noch andere Details zutage gefördert, sodass die Vermutung aufkommt, dass Cottens Tod möglicherweise vorgetäuscht und QuadrigaCX überhaupt nur zu Betrugszwecken gegründet worden sei. Demnach habe es seit April 2018 in fünf der sechs eindeutig QuadrigaCX zugeordneten Cold Wallets keinerlei Aktivität mehr gegeben – bis auf eine Ausnahme, die Cottens Witwe Jennifer Robertson aber schon als "Versehen" klassifiziert hat. Das jedoch steht im Widerspruch zu früheren Aussagen Robertsons, nach denen Cotten aus Sicherheitsgründen sehr häufig mit den Cold Wallets gearbeitet habe.

Konten unter Alias-Namen
Vor April 2018 seien aber gewisse Mengen an Bitcoin aus den fünf Wallets an Konten bei anderen Kryptobörsen überwiesen worden. Wem die gehören, sei nicht bekannt. In der sechsten Cold Wallet sind laut E&Y Einzahlungen aus anderen Kryptobörsen eingegangen, die aber auf Quadrigas Konten weiter übertragen wurden – vermutlich, um den Betrieb aufrechtzuhalten, so Spiegel Online. Die letzte Transaktion fand am 3. Dezember statt, sechs Tage vor Cottens Tod. Eine Erklärung für die seit April ausgebliebene Nutzung der Cold Wallets habe die Witwe bisher nicht liefern können.

Außerdem fanden die Prüfer heraus, dass QuadrigaCX 14 Nutzeraccounts unter verschiedenen Alias-Namen angelegt hat und darüber Transaktionen von "signifikantem Volumen" ausgeführt wurden, auch an Wallets bei anderen Kryptobörsen. Die Untersuchung von E&Y sei noch längst nicht abgeschlossen, aber die bisherigen Ergebnisse werden wahrscheinlich niemanden davon überzeugen, dass bei QuadrigaCX alles mit rechten Dingen abgelaufen ist. (jb)