Europas Finanzaufsichtsbehörde ESMA hat Art und Weise, wie die deutschen Kollegen von der Bafin ihre Kontrollaufgaben beim Zahlungsdienstleister Wirecard wahrgenommen haben, scharf kritisiert. Sie wirft der in Bonn ansässigen Behörde etliche Defizite und Versäumnisse vor. Im Rahmen einer Untersuchung seien "eine Reihe von Mängeln, Ineffizienzen sowie rechtlichen und verfahrenstechnischen Hindernissen" identifiziert worden, teilte die EU-Behörde mit. "Der heutige Bericht zeigt Mängel bei der Überwachung und Durchsetzung der Finanzberichterstattung von Wirecard auf. Unsere Vorschläge können zu einer Reform des deutschen Systems der Aufsicht von Finanzdienstleistern beitragen", kommentiert ESMA-Chef Steven Maijoor.

Der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München musste im Juni nach massiven Bilanzproblemen Insolvenz anmelden. Insgesamt entpuppten sich rund 1,9 Milliarden Euro in den Büchern als Luftbuchungen. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Betrugsverdachts. Führende Wirecard-Manager wurden bereits verhaftet, darunter auch Ex-Vorstandschef Markus Braun. Die Bafin steht bereits seit Beginn der Enthüllungen in der Kritik, dass sie das dubiose Geschäftsgebaren von Wirecard nicht rechtzeitig unterbunden hat – trotz vieler Warnungen.

Einfluss des BMF
Zu den grundsätzlichen Kritikpunkten zählt die ESMA eine mangelnde Unabhängigkeit der Bafin vom Bundesfinanzministerium  (BMF). Die ESMA schließt das aus der Häufigkeit und dem Detaillierungsgrad der Bafin-Berichte an das BMF.  Ferner sei die Intransparenz über den Aktienbesitz der Bafin-Mitarbeiter anzuprengern. Dies werfe Zweifel über die Widerstandsfähigkeit der internen Kontrollsysteme der Aufsicht in Bezug auf mögliche Interessenkonflikte auf. Die ESMA weist daraufhin, dass es bedenklich sei, dass viele Bafin-Mitarbeiter mit Wirecard-Aktien gehandelt hatten.

In erster Linie bemängelt die in Paris ansässige Institution aber das System der Bilanzkontrolle von Finanzmarktakteuren. Die Bafin hatte die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mit der Prüfung von Wirecard-Finanzberichten beauftragt. Bis zur Insolvenz lagen aber keine Analysen dieser vor. Die ESMA kritisiert, dass die Bafin und die DPR nicht das gleiche Verständnis teilten, welche Rolle und Möglichkeiten die beiden Institutionen hätten. Die deutsche Finanzaufsicht sei zudem nicht in der Lage gewesen, die Arbeit der DPR gründlich zu bewerten und so zu entscheiden, ob sie die Untersuchung von Wirecard-Bilanzen an sich ziehen solle. 

Vertraulichkeitspflichten
Ein weiteres Problem: Die geltenden Vertraulichkeitspflichten hätten einen Austausch von wichtigen Informationen zwischen beiden Partnern behindert, aufgrund derer man Wirecard eventuell früher auf die Spur hätte kommen können. Schließlich hätten sich auch innerhalb der Bafin verschiedene Teams nicht ausreichend abgestimmt. 

Der Bericht ist natürlich Wasser auf den Mühlen von Kritikern. "Der Bericht der europäischen Aufsicht ESMA ist eine Ohrfeige für die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Fabio de Masi, der für die Linken im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags sitzt. Andere greifen Bundesfinanzminister Olaf Scholz an, dem sie als obersten Dienstherrn der Behörde eine gehörige Mitschuld geben. "Der Bundesfinanzminister trägt eine Mitverantwortung an dem Desaster", twitterte laut der Agentur etwa der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

Scholz selbst sagte Reuters zufolge, dass die von der ESMA vorgeschlagenen Verbesserungen im Großen und Ganzen mit dem übereinstimmenn, was die Bundesregierung ohnehin an Reformen bei der Finanzaufsicht plane. "Ich betrachte das also nicht als etwas Kritisches." Die Bafin wiederum wies laut Reuters wesentliche Vorwürfe zurück. (jb)