Raisin spielt die straffere Geldpolitik in die Karten: Banken suchen nach alternativen Finanzierungsquellen, während zugleich Sparer nach den höchsten Zinssätzen Ausschau halten. Die von dem Berliner Fintech vermittelten Einlagen dürften von derzeit 43 Milliarden auf über 50 Milliarden Euro ansteigen, sagte Firmenchef Tamaz Georgadze in einem Interview mit "Bloomberg". Mehr als die Hälfte der neuen Gelder sollen dabei aus den USA und Großbritannien stammen. Zu Raisins Investoren zählen Goldman Sachs, die Deutsche Bank und Paypal.

Hintergrund des Wachstums sind die Zinserhöhungen, mit denen die Zentralbanken in aller Welt die Inflation bekämpfen. Die bescheren den Banken einerseits unerwartete Gewinne, andererseits aber auch höhere Finanzierungskosten. Nach dem Zusammenbruch von US-Regionalbanken wie der Silicon Valley Bank verschärfen die Aufsichtsbehörden die Überwachung der Bankenliquidität. Für Vermittler wie Raisin birgt das auch die Gefahr, in den Fokus der Prüfung zu geraten.

Raisin-Chef: Weniger als ein Prozent der Kunden sind "Zins-Hopper"
Georgadze wehrte sich gegen den Verdacht, dass die über Weltsparen vermittelten Einlagen besonders flüchtig seien – eine Sorge, die Tom Dechaene, Mitglied im Aufsichtsgremium der Europäischen Zentralbank, in einem "Bloomberg"-Interview jüngst geäußert hatte. Raisin sei kein Einlagen-Broker der Art, wie sie aus den USA bekannt seien, so Georgadze. Weniger als ein Prozent seiner Kunden seien "Zins-Hopper", die auf der Jagd nach den höchsten Zinsen ständig zwischen Tagesgeldkonten wechseln.

"Diese Einlagen sind in Krisensituationen tatsächlich sogar stabiler als andere", argumentierte er. "Je weiter weg der Kunde ist, desto mehr ist er vom Geschehen rund um die Bank entfernt. Er schaut nicht aus dem Fenster und sieht eine Schlange vor der Bankfiliale."

"Wo sind die höheren Zinssätze für kleinere Einleger?"
Die Nettozinserträge der Banken stiegen im vergangenen Jahr sprunghaft an, als die EZB ihre Zinssätze rasch erhöhte. Die Branche kann den größten Teil des Zinsanstiegs nach wie vor für sich behalten und gibt nur einen Bruchteil der zusätzlichen Zinsen an die Privatkunden weiter. "Ob im Wealth Management oder im Firmenkundengeschäft: Wenn Sie ein Großkunde sind, werden die Zinsen an Sie weitergegeben. Aber wo sind die höheren Zinssätze für kleinere Einleger?", fragte Georgadze. "Wir leisten die Arbeit, die Zinssätze der EZB schneller weiterzugeben als der Markt im Durchschnitt."

Raisin rechnet damit, dass in diesem Jahr 25 bis 30 Banken zu seiner Plattform hinzukommen werden, von denen laut Georgadze ein Großteil in den USA angesiedelt sein wird.

Der Raisin-Geschäftsführer meint, dass Einlagen, die über sein Unternehmen bezogen werden, für Banken eine günstigere Finanzierungsquelle darstellen als Anleihen. Das ist besonders in Europa wichtig, wo die Banken Hunderte von Milliarden Euro an Billigkrediten der EZB aus den Pandemiezeiten zurückzahlen müssen. "Früher war die Finanzierung bei der EZB kostenlos", fügte Georgadze hinzu. "Diese Zeit ist vorbei." (mb/Bloomberg)