Dimensional Fund Advisors, vor gut 40 Jahren in den USA gegründet, beschäftigt keine Starmanager. Das Unternehmen schmückt sich eher mit seinen engen Beziehungen zu prominenten Finanzwissenschaftlern: Unter anderem sind die beiden Nobelpreisträger Eugene Fama und Robert Merton für Dimensional tätig. Die sehr breit streuenden Dimensional-Fonds, die ganze Anlageklassen wie globale Aktien, europäische Nebenwerte oder Schwellenländertitel abdecken, erfreuen sich auch hierzulande wachsender Beliebtheit. Das liegt nicht nur an den günstigen Kosten, sondern am Gesamtkonzept des Asset Managers, wie Deutschlandchef Lukas Schneider im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE argumentiert.


Herr Schneider, in Brüssel wird wieder einmal über ein Zuwendungsverbot in der Anlageberatung diskutiert. Die Asset-Management-Branche läuft Sturm gegen diese Pläne. Wenn man sich Ihr Haus anschaut, ist die Sorge jedoch unbegründet: Dimensional Fund Advisors setzt zwar ausschließlich auf den Vertrieb über Intermediäre, hat aber noch nie Provisionen bezahlt – und wächst offensichtlich dennoch stark.

Lukas Schneider: Ja, mittlerweile verwalten wir weltweit rund 600 Milliarden US-Dollar und sind sehr zufrieden mit unserem Wachstum. Das zeigt, dass die Branche eigentlich keine Angst vor einem Provisionsverbot haben muss. Wir sind keine generellen Gegner von Provisionen, meinen aber, dass es für alle Seiten Vorteile hat, wenn der Kunde seinen Berater direkt bezahlt. Der Kunde hat mehr Transparenz und schützt sich vor möglichen Interessenkonflikten, und der Berater ist selbst Herr über seine Einkünfte – das ist er im Provisionsmodell nicht.

Vor gut zwei Jahren haben Sie uns verraten, dass Dimensional rund drei Milliarden Euro von Kunden aus Deutschland verwaltet. Wo liegt die Summe jetzt?

Schneider: Bei fast fünf Milliarden Euro. Schon 2021 lief prima, da betrug das Nettomittelaufkommen hierzulande gut 480 Millionen Euro. Das wurde 2022 aber deutlich übertroffen, da waren es rund 750 Millionen Euro.

Trotz der sehr volatilen Börsen?

Schneider: Wir konnten jeden einzelnen Monat Zuflüsse verbuchen, selbst im September, als sowohl die Renten- als auch die Aktienmärkte verrücktspielten und sogar ETFs hohe Abflüsse verzeichnen mussten. Das zeigt, dass die Berater unsere Fonds tatsächlich als Teil eines Konzepts einsetzen und nicht irgendeiner Vergangenheits-Performance oder Börsenstimmung hinterherlaufen. Sie bleiben der einmal verinnerlichten Anlagephilosophie treu und konnten das offensichtlich auch ihren Kunden vermitteln. Sonst wären die nicht bei der Stange geblieben.

Das Geld wurde tatsächlich nur über unabhängige Finanzberater und Vermögensverwalter eingeworben?

Schneider: Genau. Der Großteil kommt von unabhängigen Finanzberatern und Vermögensverwaltern. Circa 20 Prozent der insgesamt knapp fünf Milliarden Euro werden von Finanzberatern bei Versicherern wie Mylife, LV 1871 oder Alte Leipziger verwaltet.

Früher durften nur von Ihnen zertifizierte Berater Ihre Fonds vertreiben. Ist das immer noch so?

Schneider: Ganz so streng sind wir nicht mehr. Die Depotbanken setzen vernünftigerweise immer stärker auf digitalisierte Prozesse. Da war es mit der Zeit zu aufwendig, jeden Dimensional-Berater einzeln manuell freizuschalten, darum haben wir beispielsweise für die großen Maklerpools eine generelle Freigabe erteilt. Diese Kontrolle ist auch nicht mehr ganz so wichtig wie am Anfang. Ursprünglich war das gedacht, um unsere Fonds vor zu viel Trading zu schützen: Ein ständiges Rein und Raus würde hohe Transaktionskosten im Fonds verursachen, die auf Kosten der Rendite aller Anleger gehen. Mittlerweile sind die Fonds groß genug, um ein gewisses Maß an Trading zu verkraften. Wir achten aber nach wie vor darauf, dass unsere Fonds nicht direkt von Privatanlegern gekauft werden können, weil wir die Dienstleistung der Berater sehr schätzen. Bei Direktbanken und Online-Brokern sind unsere Fonds daher nicht handelbar.

Das heißt aber, dass Sie – anders als früher – nicht mehr alle Vertriebspartner persönlich kennen.

Schneider: 99 Prozent unserer Kunden dürften wir immer noch kennen. Sobald wir merken, dass ein Berater von sich aus regelmäßig Dimensional-Fonds empfiehlt, legen wir ihm unser Schulungs- und Konferenzprogramm nahe. Unser Anspruch ist: Wir kooperieren nicht mit allen Beratern, sondern nur mit den Beratern, die verstehen, wie die Art des Investierens von Dimensional ihren Kunden wirklich helfen kann.

Und wie gehen Sie vor, um neue Vertriebspartner zu gewinnen?

Schneider: Früher fanden neue Berater fast ausschließlich auf Empfehlung zu uns. Mittlerweile haben wir auch Kooperationen mit Maklerpools geschlossen, um auf uns aufmerksam zu machen. Wir waren beispielsweise auf der jüngsten Jahresauftaktveranstaltung von Fondskonzept präsent, im Herbst werden wir mit Fondsnet auf Tour sein. Wir sponsern auch das Financial Planning Standards Board, den Verband der Finanzplaner. Diese Zielgruppe ist sehr interessiert an fundierten Lösungen für ihr Investmentgeschäft. Unser Ansatz ist, einmal ein solides Anlagekonzept zu entwickeln, an dem dann – abgesehen von einem regelmäßigen Rebalancing – in allen Börsenphasen festgehalten wird. Unser Motto ist, bloß nicht zu viel Aktivität zu suggerieren. Das kommt bei den meisten Finanzplanern gut an.

Ihre Fonds legen breit gestreut in ganze Märkte an. Das klingt schon sehr nach passivem Investieren. Warum möchten Sie dennoch nicht mit Indexfonds verglichen werden?

Schneider: Weil wir keine Indizes nachbilden, sondern ganze Assetklassen. Unsere Fonds verfolgen einen systematischen, wissenschaftlich fundierten Ansatz, mit dem wir gezielt Faktoren wie die Value-, Profitabilitäts- oder die Small-Cap-Prämie nutzen.

Der Value-Ansatz ging jahrelang nicht auf. Wurden die Berater da nicht doch irgendwann nervös und überlegten sich, lieber auf Growth-Aktien zu setzen?

Schneider: Ich bin dankbar, dass sie uns die Treue gehalten haben, denn Value hat wirklich eine schwere Zeit hinter sich. In den vergangenen beiden Jahren wurden sie gewissermaßen entschädigt für die zuvor eher enttäuschende Performance. Langfristig gibt es eine Value-Prämie, das ist wissenschaftlich erwiesen. Aber es ist eben keinesfalls garantiert, dass man sie auch kurzfristig vereinnahmen kann. Es ergibt einfach keinen Sinn, die Wertentwicklung in zu kurzen Zeiträumen zu beurteilen. Berater, die das begriffen haben und ihren Kunden vermitteln konnten, genießen viel mehr Ruhe im Anlagegeschäft, weil sie nicht mehr in Investmentstorys denken müssen. Damit bleibt ihnen plötzlich viel mehr Zeit für anderes. Zum Beispiel kommen unsere Workshops zur Kundenkommunikation oder zu Fragen rund um das eigene Berater-Business, die wir veranstalten, sehr gut an. Ich denke, aus diesem Workshop-Angebot entspringt auch zu einem guten Teil die Loyalität der Berater unserem Haus gegenüber. Sie merken, dass wir nicht nur die Assets ihrer Kunden wollen, sondern auch daran interessiert sind, ihr eigenes Unternehmen voranzubringen.

Lassen Sie uns noch einmal zum Provisionsverbot zurückkommen: Wäre das in Wahrheit nicht ein großes Risiko für Dimensional? Wenn alle Asset Manager ohne Provisionen arbeiten müssen, wäre schließlich Ihr Alleinstellungsmerkmal verschwunden.

Schneider: Nein, das glaube ich nicht. In Großbritannien haben wir jedenfalls nicht unsere Stellung verloren, als dort Provisionen untersagt wurden. Wir würden denke ich eher überproportional profitieren, weil wir seit Jahren glaubhaft für dieses Marktsegment stehen. Käme das Provisionsverbot, müssten wir unser Team hier in Deutschland wahrscheinlich auf einen Schlag verdoppeln, um der Nachfrage gerecht zu werden.

Wie groß ist das Team aktuell denn?

Schneider: Wir sind zu fünft hier vor Ort, hinzu kommen fünf deutschsprachige Kollegen in London. Geplant ist, das Team sukzessive weiter aufzustocken. Ich denke, in den kommenden drei Jahren werden wir etwa fünf weitere Kollegen an Bord holen, verteilt auf Deutschland und London.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)