Franz Schubert, langjähriger Aufsichtsrat der Deutschen Vermögensberatung (DVAG), profitiert seit vielen Jahren von Vergünstigungen, die ihm dem konzerneigenen Karrieresystem zufolge nicht zustehen würden. Das geht aus Aussagen von mit der Materie vertrauten Personen hervor, die FONDS professionell ONLINE vorliegen.

Schubert erhielt demnach lange Jahre Sonderprovisionen (intern ED-Provisionen genannt), mit denen die DVAG sonst nur Vermögensberater honoriert, denen es gelingt, aus der eigenen Direktion heraus neue Direktionen nachwachsen zu lassen. Schubert hatte die fraglichen fünf Direktionen jedoch nicht selbst aufgebaut, sie wurden ihm vielmehr im Zuge sogenannter Strukturverschiebungen zugeschlüsselt. Außerdem genießt er ein lebenslanges Wohnrecht in einer Villa der konzerneigenen "Vila Vita"-Ferienanlage in Portugal – ein Privileg, das laut Vermögensberater-Vertrag nur den erfolgreichsten Vermittlern zusteht. Die dafür im Vertrag genannten Kriterien hat Schubert Informationen der Redaktion zufolge nicht erfüllt.

Interessenkonflikt
Die Causa Schubert ähnelt einem Fall, über den FONDS professionell ONLINE im Februar ausführlich berichtet hatte, reicht in einem entscheidenden Punkt aber weiter: Schubert war seit Gründung der Aktiengesellschaft bis März 2019 Mitglied im Aufsichtsrat der DVAG. Als Aufsichtsrat nahm er nicht nur zahlreiche repräsentative Termine für Deutschlands größten Finanzvertrieb wahr. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, gemeinsam mit den anderen Aufsichtsratsmitgliedern den Vorstand zu kontrollieren. Der Vorstand wiederum ist das einzige Organ der DVAG, das die Strukturverschiebungen vornehmen kann, von denen Schubert über Jahre hinweg profitierte und zumindest in geringerem Maße nach wie vor profitiert.

Die genaue Summe, die Schubert zufloss, ist der Redaktion nicht bekannt. Klar ist aber, dass es sich um einen erklecklichen Betrag handelt. Der Gesamtumsatz, den ein Direktionsleiter der DVAG im Jahr beschert, beläuft sich auf mindestens 68.000 "Einheiten" – so bezeichnet der Finanzvertrieb seine interne Abrechnungsgröße, an der sich die Provisionszahlungen bemessen. Die ED-Provision beläuft sich im Schnitt auf rund 80 Cent je Einheit. Bei fünf zugeschlüsselten Direktionen stand Schubert demnach über Jahre hinweg regelmäßig ein mindestens sechsstelliger Euro-Betrag zu. Für die ED-Provisionen müssen Vermögensberater keine weitere Gegenleistung erbringen. Mit ihnen soll schließlich der Aufbau neuer Direktionen honoriert werden, den Schubert in diesem Fall Informationen von FONDS professionell ONLINE zufolge aber gar nicht gefördert hat, zumindest nicht im Sinne des konzerninternen Karrieresystems.

Keine Stellungnahme zu den Vorgängen, weder von der DVAG…
FONDS professionell ONLINE wollte von der DVAG wissen, warum Schubert am Karrieresystem der DVAG vorbei mehrere Direktionen zugeschlüsselt bekam und dafür ED-Provisionen erhielt, weshalb er Zugriff auf eine Villa in Portugal hat, ohne die dafür vorgesehene Karrierestufe erreicht zu haben, und auf welchen Betrag sich Schuberts wirtschaftlicher Vorteil daraus beläuft. Außerdem fragte die Redaktion die Pressestelle des Unternehmens, wie sie den offensichtlichen Interessenkonflikt bewertet, der dadurch entstand, dass Schubert als Mitglied des Aufsichtsrats von Strukturverschiebungen profitierte, die nur der durch ihn mitkontrollierte Vorstand veranlassen konnte.

Die DVAG teilte lediglich mit, dass Franz Schubert "seit einigen Jahren nicht mehr als Vermögensberater tätig" ist. "Darüber hinaus äußern wir uns zu internen Angelegenheiten grundsätzlich nicht", so eine Referentin der Unternehmenskommunikation. Die Redaktion ließ auch bei Schubert selbst und bei Aufsichtsratschef Hans-Theo Franken anfragen, ob sie Stellung beziehen möchten. Beide sähen "keine Veranlassung, sich zu äußern", teilte die Pressestelle mit.

… noch von der Generali
Nicht zuletzt bat FONDS professionell ONLINE die Generali um eine Stellungnahme. Dem börsennotierten italienischen Versicherer gehören über seine Deutschland-Tochter 40 Prozent der Anteile an der DVAG, er hat drei Vertreter in den Aufsichtsrat des Finanzvertriebs entsandt. Die DVAG ist in Deutschland der mit Abstand wichtigste Vertriebspartner des Konzerns.

Wie ordnen also die Generali respektive die drei Aufsichtsräte den Interessenkonflikt und den offensichtlichen Verstoß gegen die üblichen Governance-Regeln durch Schubert ein? Die Pressestelle der Generali Deutschland teilt lediglich mit: "Wir bitten um Verständnis, dass wir (…) keine weitere Kommentierung abgeben werden."

Ob der Fall intern näher aufgearbeitet wird, ist von außen nicht zu erkennen. Auf der Homepage des Versicherers findet sich unter dem Stichwort "Compliance" jedenfalls folgender Eintrag: "Als Finanzdienstleistungsunternehmen tragen wir als Generali in Deutschland große Verantwortung – für unsere Kunden, für unsere Geschäftspartner, für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, für die Gesellschaft. Einwandfreies Verhalten gehört daher seit jeher zu den Grundpfeilern unserer Geschäftsprinzipien und unserer Unternehmenskultur. Wir halten geltende Gesetze, internationale Standards, ethische Grundprinzipien wie Selbstverpflichtungen ein. Das hat bei uns absolute Priorität." (bm)