Die Ankündigungen haben für Aufregungen in der Branche und bei Verbraucherschützern gesorgt: Die Rede ist von den Plänen der Ergo sowie der Generali und der Axa, ihre Bestände an klassischen Lebensversicherungen an Dritte zu übertragen – im Fachjargon als externer "Run-off" bezeichnet. Selbst einige Mitbewerber sorgen sich um das Image der Versicherer, da ein solcher Run-off das Versprechen einer lebenslangen Betreuung des Kunden breche. Der Bund der Versicherten warnte mehrfach davor, dass Kunden nun schlechter gestellt werden könnten, da die sogenannten Run-off-Plattformen nicht daran interessiert seien, sie an Überschüssen zu beteiligen.

In einem Gespräch mit dem Handelsblatt stellt sich Achim Kassow, Vorstandschef der Ergo Deutschland, der Kritik und legt die Beweggründe des Versicherers für diesen Schritt dar. Kassow zufolge gebe es für ein großes Unternehmen wie die Ergo verschiedene Geschäftsperspektiven. Eine Sicht sei die des Kapitalmarkts. "Dieses Geschäft bindet viel Kapital, das anderswo möglicherweise gewinnbringender eingesetzt werden könnte." Mit anderen Worten: Die Minizinsen führen dazu, dass die Ergo immer größere Schwierigkeiten hat, die Garantiezinsen zu erwirtschaften. Ein Verkauf der Policen würde ihr das Leben sehr erleichtern.

Ureigenes Interesse an zuverlässigen neuen Anbieter für Kunden
Im gleichen Atemzug fügt er aber diplomatisch an, dass eine andere wichtige Frage natürlich sei, was die Kunden darüber denken. Daher müsse die Ergo ihre Entscheidung für oder wider einen Run-off sorgfältig analysieren und bewerten. Weiter betont er, dass sein Unternehmen schon aus Eigennutz darauf achte, dass Kunden bei dem neuen Inhaber der Policen nicht schlechter gestellt sind: "Wir sind ein international agierendes Unternehmen mit Sitz in Deutschland und müssen unsere Reputation im Blick behalten. Wir haben darum ein ureigenes Interesse, dass wir – wenn es einen Eigentümerwechsel geben sollte – dies mit respektierten Partnern machen", sagt er dem Handelsblatt.

Weitere Option: Eigene Run-off-Plattform
Die Entscheidung, einen Run-off zu sondieren, muss Kassow auch gegen den Widerstand vieler Mitarbeiter verteidigen. "Mir begegnet bei der Diskussion immer ein grundsätzlicher Vorwurf: Wir können doch unsere langfristigen Kundenbeziehungen nicht für einen schnellen Deal aufs Spiel setzen. Das tun wir auch nicht." Er betont aber, dass die Gesellschaft zwischen dem unmittelbaren Eindruck der Kunden heute und der Frage, was in den nächsten Jahren im Markt geschieht, unterscheiden müsse. "Das Management kann nicht die Augen zumachen und sagen, wir sehen nicht, was da kommt", zitiert ihn das Handelsblatt.

Der Ergo-Topmanager legt zudem Wert darauf, dass der Verkauf der Altbestände nur eine von vielen Optionen sei. Eine andere bestehe darin, das genaue Gegenteil zu vollziehen: Die Übernahme der Bestandsverwaltung für Dritte, das sogenannte Third-Party-Administration-Geschäft. "Aufgrund der aktuellen Marktentwicklung prüfen wir jetzt alle Optionen für diesen Bereich." (jb)