Eine knappe Mehrheit der befragten EZB-Mitarbeiter bewertete die Präsidentschaft von Christine Lagarde als "schlecht" oder "sehr schlecht", so die Gewerkschaft IPSO in einer Zusammenfassung der Ergebnisse, die "Bloomberg" vorliegt. Mehr als 53 Prozent sagten auch, dass Lagarde derzeit nicht die richtige Person für den Job sei. Die Umfrage wurde zuerst von "Politico" veröffentlicht.

Deutlich schlechter als Vorgänger
Laut IPSO sind die Ergebnisse deutlich schlechter als die ihrer Vorgänger, Mario Draghi und Jean-Claude Trichet. Beide wurden am Ende ihrer Amtszeit ähnlichen Umfragen der Gewerkschaft unterzogen und im Allgemeinen positiv beurteilt.

"Die Umfrage zeigt eine weit verbreitete Unzufriedenheit der Befragten in Bezug auf interne Angelegenheiten, einschließlich der Diversitätspolitik", heißt es in dem Dokument. Viele kritisierten Lagarde dafür, dass sie "zu viel Zeit mit Themen verbringt, die nichts mit der Geldpolitik zu tun haben, und sich zu häufig in den politischen Bereich begibt".

EZB kritisiert Umfrage
In der Umfrage wurden die Ansichten von 1.159 Personen berücksichtigt – weniger als ein Viertel der mehr als 5.000 Mitarbeiter und Auszubildenden, die laut dem jüngsten Jahresbericht der EZB für sie arbeiten. Die Zentralbank bezeichnete die Umfrage als "fehlerhaft".

"Sie umfasst Themen, für die das Direktorium oder der EZB-Rat und nicht allein die Präsidentin zuständig ist und die nicht in den Zuständigkeitsbereich von IPSO fallen", so ein Sprecher. "Die EZB erhält das Feedback ihrer Mitarbeiter durch regelmäßige Umfragen, die nach professionellen Standards durchgeführt werden – und sie werden fortgesetzt."

Der Sprecher sagte auch, dass die IPSO-Umfrage "den Anschein erweckt, dass sie von derselben Person mehrfach ausgefüllt werden könnte". Die Gewerkschaft hält dies für möglich, hat jedoch Vertrauen in die Aussagekraft des Gesamtergebnisses.

Bei Mitarbeiterbefragungen würden in der Regel rund 3.000 Antworten gesammelt, sagte der EZB-Sprecher. Die letzte Umfrage aus dem Jahr 2023 habe ergeben, dass 80 Prozent stolz darauf sind, bei der EZB zu arbeiten, und 81 Prozent sich persönlich mit ihr verbunden fühlen.

Unzureichende Gehaltserhöhungen
Die Beziehungen zwischen der EZB-Führung und ihren Mitarbeitern wurden bereits durch die steigende Inflation auf die Probe gestellt, die Arbeitnehmervertreter in den vergangenen Jahren dazu veranlasste, sich über die ihrer Meinung nach unzureichenden Gehaltserhöhungen zu beschweren. Im Jahr 2024 werden die Gehälter um 4,7 Prozent steigen – nach einer Erhöhung von knapp über vier Prozent im Jahr 2023. Eine frühere IPSO-Umfrage ergab, dass das Vertrauen in Lagarde und den Rest des sechsköpfigen Direktoriums beschädigt ist.

"Autokratischer" Führungsstil
Eine IPSO-Zusammenfassung der 375 qualitativen Kommentare in der jüngsten Runde zeigte, dass sich die Bedenken auf Lagardes Führungsstil konzentrierten, den viele als "autokratisch" empfanden. Einige äußerten die Befürchtung, die Präsidentin versuche, "ihre eigenen privaten Interessen zu fördern, möglicherweise um ihren nächsten Karriereschritt vorzubereiten".

Im Gegensatz dazu "äußerten sich einige Befragte positiv über Christine Lagarde", heißt es in dem Dokument. "Sie inspiriere sie als Führungspersönlichkeit und sie seien stolz darauf, mit ihr zusammenzuarbeiten." (mb/Bloomberg)