Eigentlich weiß es jeder: Als Führungskraft ist es absolut tabu, über Vorgänger öffentlich herzuziehen. John Cryan hat diese Regel jetzt gebrochen, und zwar gründlich. "Wir wären heute in besserer Verfassung, wenn wir das, was wir in den vergangenen zwei Jahren erledigt haben, schon vor sechs oder sieben Jahren getan hätten“, sagt der Deutsche-Bank-Vorstandschef in einem Gespräch mit der Wochenzeitung "Die Zeit".

Nach der Finanzkrise habe die Deutsche Bank – damals unter Führung des CEO-Duos Anshu Jain und Jürgen Fitschen – später als Wettbewerber damit begonnen, Probleme zu beheben. "Sie marschierte lange weiter in die eingeschlagene Richtung. Andere Häuser nahmen schon 2010 oder 2011 große Veränderungen in Angriff“, so der Konzernchef. Der Bankprimus hinke deshalb drei bis vier Jahre hinter der Konkurrenz aus den USA her.

Rücksichtsloser Umbau
Mit seinem Amtsantritt 2015 verordnete der Brite dem Dax-Konzern eine strategische Rosskur: Teure Rechtsstreitigkeiten wurden gegen Zahlung millionenschwerer Geldstrafen ad acta gelegt, auch die Schließung von Filialen und der Abbau Tausender Stellen sollen Deutschlands größtes Geldhaus wieder auf Vordermann, ein neuer Slogan das angekratze Öffentlichkeitsbild wieder auf Hochglanz bringen. Seine Managerkollegen nahm Cryan bereits in die Verantwortung für frühere Versäumnisse – auch wenn der Haussegen wegen der umfangreichen Boni-Kürzungen und des Jobabbaus nun schief hängt, wie die jüngste Mitarbeiterbefragung zeigt.

Mit dem avisierten Börsengang der Asset-Management-Tochter Deutsche AM soll die Kapitaldecke aufgepolstert werden. Zur Rückholung der Bonner Tochter Postbank ins Privatkundengeschäft der Deutschen Bank führe der Vorstand intensive Gespräche mit Betriebsräten, Gewerkschaften und der Finanzaufsicht. Mit der Veröffentlichung konkreter Schritte sei "frühestens Ende dieses Jahres" zu rechnen, sagte Cryan im "Zeit"-Interview.

Gekommen, um zu bleiben
Nach zwei Horrorjahren mit Milliardenverlusten rechnet der Deutsche-Bank-Navigator 2017 wieder mit einem Gewinn. "Ich erwarte nicht, dass wir in diesem Jahr einen Verlust machen“, bekräftigte Cryan frühere Aussagen, die er etwa bei Vorlage des 2016er Ergebnisses gemacht hatte. Die Mitarbeiter könnten daher auch wieder mit regulären Bonuszahlungen rechnen, signalisierte der Brite.

Seine To-Do-Liste sieht Cryan längst noch nicht abgearbeitet – und erteilte allen Gedankenspielen nach einer baldigen Wachablösung an der Spitze des Dax-Konzerns, etwa durch einen seiner beiden Stellvertreter Marcus Schenck oder Christian Sewing, eine Absage: "Ich habe nicht vor, irgendwo anders hinzugehen – und zwar für lange Zeit." (ps)