Die Finanzaufsicht Bafin möchte die Lebensversicherer in Deutschland anhalten, im kommenden Jahr den Höchstrechnungszins für neue Tarife freiwillig nicht höher als 0,5 Prozent anzusetzen. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Von staatlicher Seite wird der Zinssatz von 0,9 Prozent für Lebenspolicen im kommenden Jahr wohl nicht mehr gesenkt. Das ist aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich, wie vor einer Woche bekannt wurde (FONDS professionell ONLINE berichtete). 

Der Höchstrechnungszins, umgangssprachlich auch Garantiezins genannt, mit dem Kunden nach Abzug der Abschluss- und Verwaltungskosten sicher rechnen können, wird letztlich vom Bundesfinanzministerium (BMF) festgesetzt. Dieses stützt sich dabei aber auf die Empfehlungen der Bafin und der Deutschen Aktuarsvereinigung (DAV). Das BMF hat bislang noch keine Entscheidung getroffen –  und das ist das Problem: Die Zeit bis Ende Dezember reicht schlicht nicht mehr für die technische Umsetzung einer Änderung.

Aktuare: Bilanzierung muss konservativ sein
Die Behörde stellt sich mit ihrer Mahnung auf die Seite der DAV, die die Absenkung des Zinssatzes um 0,4 Prozentpunkte schon länger fordert. Wegen der immer weiter gefallenen Marktzinsen möchten die Aktuare sicherstellen, dass die Gesellschaften nicht zu hohe Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden eingehen. "Die HGB-Bilanzierung muss konservativ sein und bei Bedarf auch schnell auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren", zitiert die FAZ Guido Bader, Vorsitzender der DAV.

Zum Verständnis der Äußerungen Baders muss man wissen, dass der Höchstrechnungszins anders als viele denken nicht der Zins ist, den Versicherer ihren Kunden gewähren müssen. Er stellt vielmehr die Obergrenze dar, bis zu der sie gehen dürfen. Die seit Jahren extrem niedrigen Zinsen für Anleihen, der Hauptanlageklasse der Versicherer, führen nun allerdings dazu, dass diese immer größere Probleme haben, die zugesagten Zinsen zu erwirtschaften. Aus Wettbewerbsgründen neigen Versicherer aber dazu, immer die höchstmögliche Rendite anzubieten. Der Höchstrechnungszins ist daher ein Mittel, damit die Gesellschaften diese Zusagen nicht zu hoch ansetzen.

Assekurata rät auch zu vorsichtiger Kalkulation
Auch Analysten wie Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata raten wegen der nach Corona noch mal erschwerten Zinssituation zu umsichtiger Kalkulation: "Anbieter sollten vorsichtig sein: Nur weil sie einen Garantiezins von 0,9 Prozent anbieten dürfen, heißt es nicht, dass sie es müssen", sagt er laut der Zeitung. Die jüngsten Marktanalyse von Assekurata hat aber ergeben, dass, ohnehin nur noch 24 Gesellschafen klassische Lebensversicherungen mit einem Garantiezins von 0,9 Prozent an. "Viele arbeiten schon mit einem niedrigeren Garantiezins", sagt Heermann der FAZ. (jb)