"Women hold up half of the Sky" lautet ein altes chinesisches Sprichwort, das in den meisten Industrie- und Entwicklungsländern bis heute allerdings eher Wunsch als Wirklichkeit ist. Denn weder in der Politik noch in der Wirtschaft tragen Frauen die Hälfte des Himmels.

Zwar sind in vielen Staaten rund um den Globus in den vergangenen 15 Jahren deutliche Fortschritte erzielt worden. So ist etwa die Erwerbsbeteiligung von Frauen im Schnitt gestiegen. Aber: Sowohl in den entwickelten Volkswirtschaften als auch in den Emerging Markets bestehen weiterhin geschlechtsspezifische Unterschiede in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Arbeit, Gehalt und politische Teilhabe. 

Interessante Research-Daten
Zu diesem Fazit kommt eine Studie von Goldman Sachs Global Investment Research, die Managing Director Sharon Bell bei einer Veranstaltung von Goldman Sachs Asset Management (Goldman Sachs AM), German Branch, in Frankfurt vorgestellt hat. Unter dem Titel "When Women lead in Finance" hat der Vermögensverwalter eine Event-Reihe gestartet, die dazu beitragen soll, Frauen noch besser zu vernetzen, ihnen zu einer stärkeren Position zu verhelfen und Karrierestrategien aufzuzeigen.

Die neue Veranstaltungsserie richtet sich zwar in erster Linie an Frauen aus der Fonds- und Finanzbranche, doch nicht ausschließlich. So fanden sich unter den zahlreichen geladenen Teilnehmerinnen der Auftaktveranstaltung neben Finanz- und Anlageberaterinnen auch Frauen aus anderen Berufen, etwa aus den Bereichen Coaching oder IT. Denn unabhängig von Sektor oder aktueller Position sind gute Kontakte und Netzwerke für alle Frauen wichtig, wenn ihnen tatsächlich eines Tages die "Hälfte des Himmels" gehören soll.

Erfreuliche Veränderungen
So weit ist es noch lange nicht, wie das Research-Papier, das Sharon Bell präsentierte, deutlich macht. Doch es gibt erfreuliche Veränderungen. "Seit wir die Studie im Jahr 2008 zum ersten Mal erstellt haben, hat sich der Bildungsgrad von Frauen und Mädchen in den Schwellenländern verbessert", sagte Bell. Dort haben heute durchschnittlich etwa 50 Prozent einen Schulabschluss der Sekundarstufe II, während es Anfang der 2000er Jahre nur 20 Prozent waren.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen beläuft sich der Studie zufolge in den Emerging Markets aktuell auf rund 58 Prozent, in den Industrieländern auf 73 Prozent, was einen Anstieg von jeweils sechs Prozentpunkten seit 2005 bedeutet. Dennoch sind weiterhin deutlich mehr Männer in Lohn und Brot. Bei ihnen liegt die Erwerbsbeteiligung in den Emerging Markets bei 71 Prozent und in den entwickelten Marktwirtschaften bei 85 Prozent.

Frauen in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert
Auch das geschlechtsspezifische Lohngefälle, das Gender Pay Gap, hat sich in vielen Volkswirtschaften verringert. Mit 18 Prozent in den Schwellenländern und 23 Prozent in den Industriestaaten bleibt es aber nach wie vor hoch. "Zudem sind Frauen in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert, auch wenn sich die Zahlen in den meisten Regionen allmählich verbessern", erklärte Bell. Besonders mau sieht es noch immer in den Vorstandsetagen aus. Lediglich sechs Prozent der Vorstandsvorsitzenden der großen börsennotierten Unternehmen sind in den entwickelten Marktwirtschaften weiblich, in den Emerging Markets sind es acht Prozent.

Dabei kommt die Studie von Goldman Sachs Global Investment Research zu dem Schluss, dass es aufgrund der schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter heute wichtiger denn je ist, die Ressourcen, die Frauen zu bieten haben, voll auszuschöpfen – und vernünftig zu entlohnen. "Bereits eine Halbierung des Lohn- und Beschäftigungsgefälles zwischen Männern und Frauen könnte das Niveau des Bruttoinlandsprodukts in den Industrie- und Schwellenländern um fünf bis sechs Prozent steigern", berichtete Bell. Dafür bräuchte es noch bessere Bildungsangebote, eine familienfreundlichere Politik, weiter verringerte Gender Pay Gaps und mehr Möglichkeiten für Frauen, Managerpositionen zu erlangen.

Weniger Selbstbewusstsein?
Ein Grund dafür, dass Frauen die Karriereleiter oft nicht so weit erklimmen wie ihre männlichen Kollegen, sei vielleicht die Tatsache, dass sie immer noch weniger Selbstbewusstsein an den Tag legten, warf eine Teilnehmerin ein. "Das stimmt", antwortete Sharon Bell. Dies liege jedoch nicht in der weiblichen Natur begründet. "Wenn über Jahrzehnte hinweg Führungspositionen fast nur männlich besetzt sind, ist es nicht verwunderlich, dass sich Frauen weniger selbstbewusst zeigen", sagte sie. 

Drei starke Frauen, die es geschafft haben, die Karriereleiter nach oben zu steigen, sind Sandra Straka, bei Goldman Sachs AM Leiterin Third Party Wealth Business Deutschland und Österreich, Edith Siermann, Global Head Responsible Investing Fixed Income bei Goldman Sachs AM, und Marie-Laure Humbert, Executive Director, Executive Coach and Business Strategy Consultant bei Goldman Sachs AM. Auf dem Podium diskutierten sie unter der Moderation von Elsa Endlich, Senior Strategist und Executive Director bei Goldman Sachs AM, welche Strategien es gerade Frauen in der Finanzbranche ermöglichen können, beruflich voranzukommen.

"Seid immer Ihr selbst"
Ganz wichtig sei es, sich selbst immer wieder neue Herausforderungen zu stellen, befand Straka. "Hört nie auf zu lernen", rief sie den Zuschauerinnen im Saal zu. "Seid immer Ihr selbst", empfahl Humbert. In Gehaltsverhandlungen sollten Frauen nicht warten, was ihnen angeboten wird. "Nennt selbst eine Nummer", sagte sie. Siermann berichtete, dass sie sich in ihrer Karriere von der Frage, "Du hast zwei Töchter und arbeitest trotzdem 40 Stunden in der Woche?", nie aus dem Konzept bringen ließ. "Ich habe dann gesagt: 'Ich frage Dich ja auch nicht, warum Du das nicht tust'", erzählte sie. Ihre inzwischen erwachsenen Töchter fänden heute, sie habe es ganz richtig gemacht. 

Weil mehr Frauen-Power nicht nur in der Theorie beleuchtet werden sollte, gab es im Anschluss an die Paneldiskussion auch gleich die Möglichkeit zum Netzwerken in weihnachtlicher Atmosphäre auf der 34. Etage des Frankfurter Marienturms, dem Sitz des Deutschlandarms von Goldman Sachs AM. Und der Blick von hoch oben über die Mainmetropole erinnerte daran, dass Frauen noch ein gutes Stück Weg vor sich haben, bevor sie wirklich die Hälfte des Himmels tragen – oder mehr. (am)