Die Covid-19-Pandemie hat Fondsgesellschaften den Appetit an Übernahmen nicht verdorben. Im Gegenteil: in den vergangenen Monaten kam es zu neuen Megadeals. Die US-Großbank Morgan Stanley kauft den amerikanischen Asset Manager Eaton Vance. Die Columbia-Threadneedle-Mutter Ameriprise Financial übernimmt Teile von BMO Global Asset Management, Amundi will Lyxor kaufen. Die Hintergründe und was die Käufer bereit sind zu zahlen, erläutert Maren Schmitz, die bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Deutschland die Asset-Management-Beratung leitet.


Frau Schmitz, zuletzt kam es zu mehreren Übernahmen und Zusammenschlüssen unter Asset Managern. Die Kaufpreise unterschieden sich deutlich. Welche Kriterien spielen bei der Wertermittlung eine Rolle?

Maren Schmitz: Der Übernahme eines anderen Asset Managers wohnt derzeit ein strategischer Wert inne, insbesondere bei größeren Übernahmen. Einige Gesellschaften sind bereit, eine Prämie zu bezahlen, wenn sie durch einen Zukauf eine bestimmte Größe erreichen. Rückt der Käufer durch das übernommene Volumen unter die Top-5 oder Top-10 in Europa oder gar weltweit, kann dies einen Anreiz für einen Preisaufschlag darstellen.

Das heißt: Mehr Volumen um jeden Preis?

Schmitz: Nicht nur. Eine wichtige Rolle spielen auch die Märkte, die das zum Verkauf stehende Investmenthaus abdeckt. Das umfasst einerseits Anlageklassen, die der Käufer vielleicht nicht so umfassend abgedeckt hat, andererseits Vertriebskanäle, mit denen der Käufer sich neue Absatzwege erschließt. Dies kann etwa ein exklusiver Bankvertrieb sein. Daneben kann eine Übernahme Wege in neue Absatzmärkte ebnen, etwa in Asien. Besonders China rückt dabei in den Fokus.

Warum?

Schmitz: Das Land öffnet seinen Finanzmarkt. Ausländische Asset Manager erhalten die Erlaubnis, ohne lokalen Joint-Venture-Partner aktiv zu werden und Produkte zu vertreiben. Hat ein Unternehmen diese Lizenz erhalten und entsprechende Strukturen entwickelt, kann dies für Kaufinteressenten einen hohen Wert haben. Einen bestehenden Zugang zu übernehmen ist meist einfacher, als selbst eine Präsenz in China aufzubauen. Das kann mitunter Jahre dauern. Manch großer Anbieter ist daher bereit, sehr hohe Preise zu zahlen.

Welche Rolle spielen Kennzahlen wie die Profitabilität bei einer Übernahme?

Schmitz: Natürlich spielen auch Kennziffern wie das verwaltete Vermögen oder die Profitabilität eine Rolle. Weitere wichtige Faktoren sind die Kundenstruktur und das Preisgefüge. Manche Anbieter sind eher an Mitteln von institutionellen Investoren interessiert, andere eher an Geld von privaten Sparern. So können große Flaggschifffonds, die von vielen Profianlegern gehalten werden, sehr attraktiv sein. Doch am Ende können die Kaufpreise deutlich davon abweichen, was die Standardkennzahlen andeuten würden. Die strategische Komponente und die Zukunftsperspektive spielen vielmehr die entscheidende Rolle.


Wie sehr sich die Kaufpreise bei den jüngsten Übernahmen im Asset Management unterscheiden, lesen Sie im neuen Heft 2/2021 von FONDS professionell, das Abonnenten Ende des Monats zugestellt wird.


Finden sich noch Schnäppchen in der Branche?

Schmitz: Das Preisniveau ist generell sehr hoch. Das Asset Management ist ein Wachstumsfeld, und viele Akteure müssen auch wachsen. Zunehmend drängen Private-Equity-Gesellschaften auf diesen Markt vor. Denn Asset Manager verfügen über keine großen Anlagen oder Systeme, die in einem aufwendigen Verfahren bewertet werden müssten. Bei Übernahmen im Asset Management handelt es sich meist um recht einfache Transaktionen. Letztendlich geht es um die Kunden und die entscheidenden Köpfe.

Sind Boutiquen günstiger?

Schmitz: Nein, eher im Gegenteil. Die Übernahme einer Boutique kann einen besonderen Wert haben. Hier findet sich oftmals Inselwissen. Gerade im Bereich der alternativen Investments ist das Interesse hoch. Das Angebot ist knapp, die Käufer reißen sich geradezu um solche Spezialisten. Nur wenige unabhängige Gesellschaften haben ein großes Interesse, ihr Haus zu verkaufen und unter ein großes Dach zu schlüpfen. Daher erzielen hier die Verkäufer mitunter einen sehr hohen Preis.

Aber was ist, wenn die Kernpersonen einer Boutique abspringen?

Schmitz: Gerade bei der Übernahme einer Boutique ist es wichtig, dass die Schlüsselpersonen an Bord bleiben. Ansonsten hätte der Käufer nur die Hülle und das verwaltete Vermögen, aber nicht die Köpfe mit der Expertise übernommen. Das ist die größte Gefahr beim Kauf von Boutiquen. Oftmals wird dies aber durch entsprechende Klauseln in den Verträgen aufgefangen. Bei großen Übernahmen sind solche Bleibeklauseln allenfalls auf der Führungsebene und bei Flaggschiffmanagern umsetzbar. Mit einer gewissen Zahl an Abgängen müssen die Käufer also rechnen.

Welche Bedeutung haben Übernahmen überhaupt für die Fondsgesellschaften?

Schmitz: Asset Manager stehen vor der Frage, wie sie wachsen wollen. Denn das verwaltete Vermögen lässt sich praktisch nur durch Übernahmen massiv hochfahren. Klar, kann man neue Anlageklassen erschließen oder beim Thema Nachhaltigkeit aktiver werden. Doch irgendwann stoßen die Anbieter beim organischen Wachstum an Grenzen. Mit Zukäufen können sich Asset Manager aber in relativ kurzer Zeit in eine ganz andere Position katapultieren.

Vielen Dank für das Gespräch. (ert)