Der Inhalt des Schreibens ist deutlich weniger kurios als der Verbleib des Briefes. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat vor wenigen Tagen die Allianz Lebensversicherungs-AG wegen Irreführung abgemahnt. Dies teilen die Verbraucherschützer auf ihre Website mit. Der Grund der Abmahnung: Versicherte, die ihren privaten Rentenversicherungsvertrag wegen eines Fehlers in der Widerspruchsbelehrung rückabwickeln wollten, erhielten der Verbraucherzentrale zufolge eine Ablehnung.

In den konkreten Fällen ging es um Rentenversicherungen, die zwischen dem 21. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen worden waren. Bei dem in diesem Zeitraum gängigen Policenmodell unterschrieb der Versicherungsnehmer in spe den Antrag für die Police, der Versicherer sandte ihm diesen einige Zeit später zu – zusammen mit der Widerrufsbelehrung. 

Ewiges Widerspruchrecht
Dazu war er gemäß Paragraf 5a des alten Versicherungsvertragsgesetzes (VVG a. F.) jedenfalls verpflichtet. Schickte der Versicherer neuen Kunden gar keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung, so haben sie nach der geltenden europäischen Rechtsprechung und zahlreichen Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) ein ewiges Widerspruchsrecht. Sie dürfen Verträge rückabwickeln, sofern sie belegen können, dass sie keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erhalten hatten.

Nach Auffassung der Verbraucherzentrale Hamburg ist die Allianz dazu verpflichtet, den betroffenen Kunden eine Rückabwicklung ihrer Policen zu ermöglichen und ihnen die geleisteten Prämien plus Zinsen auszuzahlen. Der Grund: Der Bundesgerichtshof hatte die umstrittene Widerspruchsbelehrung für unwirksam erklärt, weil Verbrauchern darin eine Widerspruchsfrist von einem Monat eingeräumt wurde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt jedoch ein Zeitraum von 30 Tagen – und ein Monat kann nun einmal auch nur 28 oder 29 Tage haben.

Abmahnung auf den Weg gebracht
"Das Urteil des Bundesgerichtshof ist eindeutig und trotzdem fegt die Allianz die Ansprüche von Verbrauchern einfach vom Tisch", sagt Christian Biernoth, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Verbraucherschützer habe daher eine Abmahnung wegen Irreführung gegen den Versicherungskonzern auf den Weg gebracht. 

Doch wo dieses Schreiben abgeblieben ist – das ist nun die Frage. "Laut der Deutschen Post ist der Brief am 6. Dezember 2018 per Einschreiben zugestellt worden", sagt Kerstin Becker-Eiselen, Leiterin Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg, auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE. 

Ungewöhnliches Vorgehen
Der Allianz Leben jedoch kennt das Schreiben offenbar nicht. Zumindest erklärte der Versicherer auf Anfrage der Redaktion am 13. Dezember um 10:45 Uhr: "Das Vorgehen der VZ Hamburg ist ungewöhnlich: Die Abmahnung, die in der Pressemitteilung der VZ Hamburg vom 11. Dezember 2018 beschrieben wird, liegt uns noch nicht vor. Deshalb können wir zum jetzigen Zeitpunkt nur vermuten, auf welches Bundesgerichtshof-Urteil die VZ Hamburg sich in ihrer Pressemitteilung bezieht. Wir gehen davon aus, dass es sich um kein direktes Verfahren gegen die Allianz handelt."

Die Widerspruchsbelehrungen, die die Allianz Leben verwendet, seien bisher regelmäßig von der Rechtsprechung für ordnungsgemäß und damit für wirksam angesehen worden. "Unabhängig davon halten wir uns selbstverständlich an geltendes Recht und beachten höchstrichterliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofes. Sobald uns die Abmahnung und damit die Vorwürfe der VZ Hamburg vorliegen, überprüfen wir den Sachverhalt", schreibt der Versicherer. (am)


Einen Bericht über die Rückabwicklung von Lebensversicherungen finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 4/2018 von FONDS professionell, die Ende November erschienen ist. Angemeldete KLUB-Mitglieder können den Artikel auch ab Seite 234 im E-Magazin lesen.