Sie gilt in Deutschland als Pionierin auf dem Gebiet der Mikrofinanzfonds. 2006 gründete Edda Schröder die Frankfurter Fondsboutique Invest in Visions, fünf Jahre später legte sie den IIV Mikrofinanzfonds auf. Er war der erste seiner Art, der auch Privatanlegern offensteht. Im August vergangenen Jahres verkaufte sie dann knapp 75 Prozent der Firmenanteile an einen Finanzinvestor. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE erläutert Edda Schröder die Gründe und ihre weiteren Pläne.


Frau Schröder, im August 2022 haben Sie knapp 75 Prozent der Unternehmensanteile von Invest in Visions an die FS Invest Holding verkauft. Ist das für Sie als Gründerin der Fondsboutique nicht ein schmerzlicher Schritt?

Edda Schröder: Das könnte man denken, schließlich ist Invest in Visions sozusagen mein Baby, ich habe es großgezogen. Aber inzwischen ist das Kind erwachsen, wir sind in einer anderen Phase. Ich glaube, in einer solchen Phase muss man umdenken und sich fragen, was für die Firma künftig das Beste ist. Ich denke, ich bin eine gute Gründerin, eine gute Unternehmerin, eine meiner Stärken ist, etwas aufzubauen. Aber für die weitere Entwicklung benötigen wir zusätzlich andere "Köpfe". Daher ist der Verkauf der Anteile nur logisch.

Was waren denn im Einzelnen die Gründe für die Veräußerung?

Schröder: Ich habe schon vor gut zwei Jahren zu überlegen begonnen, wie wir Invest in Visions weiterbringen können. Denn ich möchte auf keinen Fall, dass die Fondsboutique eines Tages aufgelöst, komplett aufgekauft oder etwa in eine Bank integriert wird. Vielmehr wünsche ich mir, dass sie mit den Zielen und Werten, denen wir uns verschrieben haben, weiterleben kann. Natürlich denke ich immer wieder einmal darüber nach, irgendwann weniger zu arbeiten oder mich aus dem operativen Geschäft etwas zurückzuziehen. Dann sollte auf jeden Fall eine vernünftige Nachfolgeregelung da sein, die dem Unternehmen auch weiteres Wachstum ermöglicht. Das kann funktionieren, wenn man einen starken Finanzinvestor hat. Deswegen bin ich auf die Suche gegangen und habe geschaut, wer denn in Frage kommen würde. 

Frisches Geld kommt über den Verkauf aber nicht ins Unternehmen, oder?

Schröder: Nein, es findet aber ein klarer Wechsel in der Eigentümerstruktur statt. Ich habe nie 100 Prozent der Firmenanteile gehalten. Es war schon immer ein Family Office mit 25,1 Prozent beteiligt. Nun habe ich meine Anteile von 74,9 auf 25,1 Prozent reduziert. Das Family Office hat all seine Anteile zurückgegeben, der neue Finanzinvestor hat somit 74,9 Prozent übernommen.

Welche Kriterien musste ein potenzieller Anteilseigner denn erfüllen, um für Sie überhaupt in Frage zu kommen? 

Schröder: Unser grundsätzliches Kriterium war, dass es sich um einen langfristig orientierten Investor handeln musste. Ein Private-Equity-Haus, das etwa nach fünf Jahren wieder aussteigt, schied damit von vornherein aus. Zudem sollte der Investor bereit sein, die Nachfolgeregelung gemeinsam mit mir zu gestalten. Mit diesem Thema bin ich auch ganz transparent umgegangen. Ich habe klar gesagt, dass ich auf jeden Fall noch einige Jahre im Unternehmen bleiben möchte, um es weiterzuführen. Und nicht zuletzt war eine ganz entscheidende Voraussetzung, dass der Gedanke und die Ziele von Invest in Visions auf jeden Fall beibehalten werden.

Schließlich ist Ihre Wahl auf die FS Invest Holding gefallen, die zur Unternehmensgruppe von Helios-Gründer und Milliardär Lutz Helmig gehört. Helmig ist bereits über eine ganze Reihe von Beteiligungen in der Finanzbranche vertreten. Hatten Sie bereits Kontakt zu ihm?

Schröder: Nein, wir haben über einen ganz normalen M&A-Prozess nach einem Investor gesucht. Das hat sich auch gar nicht so lang hingezogen.

Und wie haben Sie sichergestellt, dass die Idee und die Werte von Invest in Visions wirklich beibehalten werden?

Schröder: Das haben wir vertraglich festgelegt. Zudem habe ich mich ganz bewusst dafür entschieden, weiterhin 25,1 Prozent am Unternehmen zu halten. Damit habe ich eine Sperrminorität, mit der ich wichtige Gesellschafterbeschlüsse, für die eine Dreiviertelmehrheit notwendig ist, verhindern könnte, wenn ich sie für falsch halten sollte.

Und wie geht es jetzt weiter? Was sind Ihre nächsten Pläne für Invest in Visions?

Schröder: Wir wollen natürlich wachsen. Zusätzlich zum Thema Mikrofinanz haben wir 2021 den Fonds "IIV Sustainable SME Debt Fund EM – Finance for Future" aufgelegt. Dieser verschafft kleinen und mittleren Unternehmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern über Finanzinstitute vor Ort Zugang zu Krediten. Damit haben wir uns bereits etwas breiter aufgestellt. Wir wollen nun unsere Produktpalette noch erweitern. Zudem möchten wir auch noch tiefer in das Investment Management einsteigen. 

Was ist darunter zu verstehen?

Schröder:Invest in Visions arbeitet ja mit Advisern zusammen, die für uns die Mikrofinanzinstitute in den Ländern, in denen wir Finanzierungen vergeben möchten, suchen und die Due Diligence erstellen. Zu einem kleinen Teil machen wir das jetzt schon selbst. Diesen Bereich möchten wir stärker ausbauen.

Sie möchten noch für einige Jahre Geschäftsführerin bleiben. Werden Sie auch weiterhin selbst in die Länder reisen, in denen Ihre Fonds Kredite vergeben, um sich Mikrofinanzinstitute und finanzierte Projekte anzuschauen?

Schröder: Natürlich, unbedingt. Wir wollen uns jetzt neue Länder ansehen. Nepal zum Beispiel öffnet sich gerade ein wenig für das Thema Mikrofinanz, dort gibt es solche Finanzierungen bisher noch nicht. Dann müssen wir uns auch noch näher mit den Maghreb-Staaten befassen. Invest in Visions ist aktuell in 33 Ländern bei 96 Mikrofinanzinstituten vertreten. Aber es gibt viele weiße Flecken auf der Welt. Wir haben noch viel zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)