Die Finanzaufsicht Bafin ist nicht erfreut. Im Mai 2023 hat die Behörde ihr Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten veröffentlicht und der Branche damit klar gemacht, dass die Produktkosten nicht zu hoch sein sollen. Andernfalls verstoßen die Policen gegen den Grundsatz des Kundennutzens, da die Rendite der Verbraucher zu sehr geschmälert wird.

Eine Untersuchung von insgesamt 13 Lebensversicherern seit Veröffentlichung des Merkblattes zeigt nun aber, dass bei den Versicherern noch einiges im Argen liegt und es Missstände gibt. "Was wir da bislang herausgefunden haben, gefällt uns überhaupt nicht. Und ich bin mir sicher, dass auch Sie damit nicht zufrieden sind", sagte Julia Wiens, Exekutivdirektorin Versicherungsaufsicht bei der Bafin, zu dem Thema am Dienstag (27.8.) in einer Rede auf dem "Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung".

Hohe Effektivkosten
Besonders missfällt der Behörde laut einem Artikel im "Bafin-Journal", dass die Effektivkostenbelastung einiger Policen bei vier Prozent oder sogar deutlich höher lag. "Damit die Kundin oder der Kunde eine positive Rendite erzielt, müssen diese Kosten erst einmal verdient werden. In dem gegenwärtigen Marktumfeld erscheint das sehr ambitioniert", kommentiert die Behörde diesen Missstand.

Gerade bei hohen Effektivkosten müssten die Unternehmen laut Bafin daher prüfen, ob das Renditeziel des Zielmarkts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird. In dem Zusammenhang sieht die Aufsicht sehr kritisch, dass bei einigen Fondspolicen die Asset Manager der zugrunde liegenden Fonds Vergütungen an die Vertriebspartner des Lebensversicherers zahlen.

Zu hohe Stornoquoten
Bei den Prüfungen fielen außerdem die sehr hohen Stornoquoten einiger Lebensversicherer auf. In einigen Fällen hatte die Hälfte der Kundinnen und Kunden ihren Vertrag bereits innerhalb der ersten Vertragsjahre beendet. "Die Tatsache, dass die meisten Kosten in der frühen Phase der Vertragslaufzeit anfallen, führt bei den untersuchten Produkten dazu, dass die Mehrheit der Kundinnen und Kunden mit ihnen hohe Verluste machen wird", kritisiert die Bafin.

Schließlich legten die Prüfungen formale Mängel beim Produktfreigabeverfahren offen. Die Anbieter hatten Defizite bei den "Grundsätzen der Aufsicht und Lenkung": Dies sind interne Leitlinien, die sie erstellen müssen, um die Anforderungen an das jeweilige Produktfreigabeverfahren zu definieren. Hierbei kritisiert die Aufsicht auch, dass die Versicherer die Produkte nicht an den eigentlich definierten Zielmarkt vertreiben, was unter anderem ein Grund für die hohen Stornoquoten einiger Gesellschaften sein könne.

Bafin handelt
Wiens, die seit Jahresbeginn der Versicherungsaufsicht vorsteht, stellte in ihrer Rede auch klar, dass die Behörde gegen die Missstände vorgehen kann – und das auch schon getan hat. "Wir haben im Interesse der Kundinnen und Kunden bereits nennenswerte Verbesserungen erreicht: Einige Produkte, die keinen angemessenen Kundennutzen bieten, wurden vom Markt genommen. Darüber hinaus konnten Kostensenkungen im Bestand sowie rückwirkende Kompensationsmaßnahmen erzielt werden." (jb)