Nach den Turbulenzen rund um die Schweizer Großbank Credit Suisse und der Krise bei US-Regionalinstituten untersucht die Europäische Zentralbank (EZB) genauer, wie lange die von ihr beaufsichtigten Geldhäuser Phasen mit starken Einlagenabflüssen und limitiertem Zugang zu Liquidität überleben können. Dies berichtet die Nachrichtenagentur "Bloomberg" und beruft sich auf informierte Kreise.

Die EZB hatte demnach schon Ende 2021 die Banken dazu gedrängt, ihre Ausstattung mit Liquidität zu prüfen. Die steigende Inflation ließ bereits erwarten, dass auch die Zinssätze steigen — und damit die Refinanzierungskosten der Banken. Die jüngsten Krisen haben die Frage umso dringender aufgeworfen, inwieweit alle Geldhäuser ausreichend auf einen möglichen Bank Run vorbereitet sind und ob die bekannten Liquiditätsmesslatten ein zuverlässiges Bild vermitteln.

Überlebensdauer im Blick
Das Interesse der EZB-Bankenaufsicht in den Gesprächen mit den Kreditinstituten kreist nun informierten Kreisen zufolge vor allem um die sogenannte Überlebensdauer. Das ist eine nicht öffentlich ersichtliche Kennziffer. Diese gibt an, wie lange ein Institut mit den verfügbaren Barmitteln und Sicherheiten sowie den zu erwartenden Geldflüssen ohne Zugang zu frischem Geld den Betrieb aufrechterhalten kann.

Die Kennzahl soll die öffentlich bekannten Maßstäbe ergänzen, etwa die Liquiditätsdeckungsquote (LCR), die aber in den Krisensituationen in diesem Jahr offenbar nicht ausreichten. Die LCR setzt die hochwertigen liquiden Mittel einer Bank ins Verhältnis zu den Abflüssen, die in einem 30-tägigen Stressszenario zu erwarten sind. Die europäischen Geldhäuser müssen diese Quote über 100 Prozent halten. Größere Häuser veröffentlichen die Zahl in der Regel vierteljährlich.

Umfassendere Prüfung
In einem Stresstest der EZB aus dem Jahr 2019 lag der mittlere Zeithorizont für die Überlebensdauer bei etwa vier Monaten in einem Extremszenario, das "schwere Einlagenabflüsse" und "ausgeprägte Abzüge" von zugesagten Finanzierungslinien beinhaltete. Die verstärkte Aufmerksamkeit der EZB für dieses Thema entspringt aber offenbar eher einer größeren Vorsicht als einer akuten Besorgnis um die Lage der Institute, so der "Bloomberg"-Bericht.

Die Untersuchung der Lebensdauer ist demnach Teil einer umfassenderen Prüfung des Bankensektors, berichten mit der Situation vertraute Personen. Aufsicht wie Finanzinstitute betonen häufig die Unterschiede zur Credit Suisse, bei der nach jahrelangen Fehlentwicklungen das Vertrauen rasch erodierte. Die Regulierung der US-Regionalbanken sei laxer gewesen als in Europa. (Bloomberg/ert)