Der gute Lauf der Fondsbranche ist 2022 zu einem jähen Ende gekommen. Das von den Anbietern in Westeuropa verwaltete Vermögen ist im Jahresverlauf um rund 15 Prozent auf 23,3 Billionen Euro gesunken. Dies schätzen die Branchenkenner der Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey in einer Analyse, die FONDS professionell ONLINE vorliegt. Demnach sind mehr als vier Billionen Euro Rückgang auf die Kursverluste an den Börsen aufgrund des Ukraine-Kriegs, der Lieferkettenprobleme und der Inflation zurückzuführen. Das Nettomittelaufkommen der Branche drehte erstmals seit 2012 ins Negative. Unter dem Strich zogen Kunden 200 Milliarden Euro ab.

Dies hat Folgen für die Profitabilität der Asset Manager. Die Gewinne der Branche schrumpfen um annähernd 20 Prozent auf 20 Milliarden Euro, schätzt McKinsey. Das Ergebnis aus alternativen Investments klammerten die Experten dabei aus. Über die vergangenen zehn Jahre waren die Gewinne von Westeuropas Fondsanbietern zusammengenommen im Schnitt um zehn Prozent pro Jahr gewachsen. Das Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost-Income-Ratio, CIR) dürfte von im Schnitt 56 Prozent im Jahr 2021 auf 61 Prozent 2022 steigen. Grund dafür seien einerseits geringere Einnahmen. Andererseits sei es den Anbietern nicht gelungen, die Kosten merklich zu reduzieren.

Bei Ausgaben Zügel locker gelassen
"In einem günstigen Marktumfeld haben die Fixkosten tendenziell eine geringere Priorität", erläutern die McKinsey-Experten Eva Beekman, Pierre-Ignace Bernard und Felix Germann. Nur wenige Vermögensverwalter hätten die Gelegenheit genutzt, ihre Betriebsmodelle – insbesondere die IT – während der vergangenen guten Jahre zu überdenken oder neu zu gestalten. "Jetzt, wo die niedrigeren und volatileren Märkte die verwalteten Vermögen belasten, ist die Ertragsbasis rückläufig und die Kostenbasis stabil." So rechnen die Analysten für 2022 mit zusammengenommen 30,7 Milliarden Euro an Kosten bei den westeuropäischen Fondsanbietern, nur geringfügig weniger als 2021 mit 30,9 Milliarden Euro.

Weiterhin beobachten die Branchenkenner ein nachlassendes Interesse der Investoren an alternativen Investments. Diese hatten sich als lukratives Feld für Asset Manager erwiesen. "Da die an Börsen gehandelten Wertpapiere Kursrückgänge erlitten, sind einige institutionelle Anleger nun zu stark in alternativen Anlagen engagiert", berichten die Experten. Die Investoren hätten die Grenzen ihrer strategischen Asset Allocation überschritten. "Diese Tatsache in Verbindung mit dem erneuten Interesse an festverzinslichen Wertpapieren führt dazu, dass der Hype um Alternatives als Anlageklasse abnimmt."

Viel Geld angezogen
Insgesamt hat die Asset-Management-Branche in Europa über die vergangenen zehn Jahre gesehen trotz des Einbruchs im vergangenen Jahr immer noch eine sehr gute Entwicklung hinter sich. Das verwaltete Vermögen ist von 14,5 Billionen Euro im Jahr 2012 auf mehr als 23 Billionen Euro angewachsen. Davon seien 3,4 Billionen Euro auf den Rückenwind an den Börsen zurückzuführen. 5,5 Billionen Euro stammen aus Neugeld, das Kunden unter dem Strich den Fondsanbietern anvertraut haben. (ert)