Der Aufstieg passiver Investments weckt Erinnerungen an die "Deutschland AG" alter Prägung, sagt Achim Wambach, Leiter des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und Vorsitzender der Monopolkommission, die die Bundesregierung bei Wettbewerbs- und Regulierungsfragen berät. Die Konzentration der Eigentümerschaft bei deutschen Aktien in börsengehandelten Fonds (ETF) berge das Risiko, den Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu untergraben, äußerte Wambach der Nachrichtenagentur "Bloomberg" zufolge.

Die Begründung für die überraschende These: Wenn eine Investmentgesellschaft wie Blackrock – einer der größten Anbieter aktiver wie passiver Fonds – gleichermaßen Anteile an den Pharmakonzernen Bayer und Merck halte, "dann hat Blackrock weniger Interesse daran, dass Bayer und Merck sich gegenseitig Wettbewerb machen, sondern eher, dass es beiden Unternehmen gut geht", erläuterte der Wirtschaftsforscher. "Das ist vergleichbar mit der alten Deutschland AG."

"Verkleisterte Wirtschaft"
Die behaglichen Verflechtungen der "Deutschland AG" entwickelten sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als Banken Anteile an Industrieunternehmen kauften, um den Wiederaufbau der größten Volkswirtschaft in Europa mit zu unterstützen. Dies wurde in den frühen Jahren des neuen Jahrtausends wieder entwirrt.

"Wir haben die 'Verkleisterung der Wirtschaft', in der die Banken einen hohen Einfluss auf die Unternehmen haben, immer kritisiert", sagte Wambach. "Jetzt haben wir passive Investoren, die durch ihre Beteiligungen sehr einflussreich sind. Unsere Sorge aus Wettbewerbsperspektive ist diese Common Ownership." (FONDS professionell beleuchtete das Thema der "Common Ownership" in Ausgabe 4/2016 im Artikel "Strippenzieher im Hintergrund". Angemeldete KLUB-Mitglieder können den Beitrag hier im E-Magazin lesen.)

Umstrittene These
Wambach steht mit seiner Kritik nicht allein da. Eine Studie aus dem Jahr 2015 von Forschern der University of Michigan zeigt, dass in den USA die Flugticketpreise auf den Strecken höher waren, bei denen die anbietenden Fluggesellschaften die gleichen Großaktionäre hatten, als auf Routen, bei denen Airlines mit völlig unterschiedlichen Eigentümern konkurrierten.

Allerdings ist die These, dass der ETF-Trend zu einer Kartellbildung führt, umstritten. Widerspruch kommt natürlich von dem US-Konzern Blackrock, der als größter Vermögensverwalter der Welt besonders zur Zielscheibe dieser Kritik wird. "Die Deutschland AG war eine konzentrierte Eigentümerschaft, wobei die Banken übergroße Beteiligungen an Industrieunternehmen hielten", entgegnet Barbara Novick, Vizepräsidentin und Mitbegründerin von Blackrock. "Das ist ein sehr großer Unterschied, denn Blackrock gehören die Anteile nicht, sie gehören unseren Kunden." Die Fondsgesellschaften sehen sich also nur als Treuhänder. Die wahren Eigner der Unternehmensanteile seien die Fondsanleger.

"Verfrüht, ein Heilmittel vorzuschlagen"
Auch der Zusammenhang zwischen den Eigentumsverhältnissen und Kartellmustern im Markt sei empirisch noch nicht erwiesen. So könnten bei dem Beispiel der Flugticketpreis andere Einflüsse die Preisverzerrungen hervorgerufen haben, heißt es von der Asset-Management-Branche. "Auf akademisch-ökonomischem Niveau gibt es keinen Konsens, dass diese gemeinsame Eigentümerschaft ein Problem darstellt", argumentierte Novick "Bloomberg" zufolge. "Es ist etwas verfrüht, Heilmittel vorzuschlagen, wenn es noch keinen Konsens gibt, dass überhaupt ein Problem existiert."

Tatsächlich werden in der Argumentation oftmals Punkte vermischt. So geht die hohe Beteiligung von Blackrock an Unternehmen eben nicht allein auf das Konto der iShares-Indexfonds, sondern auch auf das aktiver Portfolios des Hauses. Das Phänomen der "Common Ownership" entspringt also nicht allein den passiven Investments.

Weiterhin entscheiden die aktiven Manager, welche Aktien sie in ihre Fonds nehmen – über ein weltweites Haus wie Blackrock kommen da zahlreiche Portfolios mit sehr unterschiedlichen Managementstilen und Anlagetaktiken zusammen.

Die Grafik zeigt, welchen Anteil aktive wie passive Blackrock-Fonds an deutschen Unternehmen haben. Doch die Spitzenreiter Merck KGaA und der Immobilienkonzern Vonovia zählen im Dax zu den Leichtgewichten. Eine ganze Reihe von Blackrock-Managern gewichten die beiden Titel also höher, als es die Dax-Regeln vorgeben würden. (Bloomberg/ert)