Seit Oktober 2021 arbeiten die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Notenbanken am historischen Projekt "Digitaler Euro". Ein möglicher EZB-Ratsbeschluss für einen Entwicklungsstart fällt frühestens 2025. Petia Niederländer, Direktorin der Hauptabteilung Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung in der Österreichischen Nationalbank (OeNB), sagte in einem Gespräch mit FONDS professionell, dass sich durch den digitalen Euro die Wettbewerbssituation europäischer Banken gegenüber Anbietern aus den USA verbessere. Das betrifft den Zahlungsverkehr, wo US-Unternehmen wie Paypal momentan das grenzüberschreitende Endkundengeschäft dominieren.

Natürlich könne Paypal als ein in Luxemburg registrierter Zahlungsdienstleister den digitalen Euro wie jede andere europäische Bank in die Geschäftsstrategie integrieren. "Aber es erhalten damit natürlich auch die Hausbanken die Möglichkeit, die gleichen Dienstleistungen anzubieten wie Paypal, ohne dass sie sehr viel Geld in technologische Entwicklungen investieren. Sie können dafür die App und die Infrastruktur der EZB nutzen. Ich denke daher, dass Paypal viel mehr Wettbewerb bekommt und der eine oder andere Kunde hoffentlich bei seiner Hausbank bleibt", so Niederländer.

Mehr Privatsphäre
Der digitale Euro soll bequemer in der Nutzung sein als bisherige Lösungen und vor allem privater, betonte die Expertin. "Es werden nur Beträge von Gerät zu Gerät übertragen, aber nicht die einzelnen Transaktionen", so Niederländer. "Wer Wert auf Privatheit legt, wird das schätzen", so Niederländer.

Was die Nutzer-Vorteile im täglichen Zahlungsverkehr betrifft, verwies sie auf die zahlreichen Karten, die die Bürger ständig mit sich herumtragen, deren Annahme aber an Ort und Stelle nie wirklich garantiert ist. Beim digitalen Zentralbankgeld gelte eine stärkere Annahmepflicht als beim Bargeld, das in manchen Ländern im Alltag ohnehin kaum mehr benutzt wird. 

Fondsbranche könnte Überlegungen anstellen
Die Frage, ob der digitale Euro für die Fondsbranche eine Relevanz hat, sei "sehr spannend". Zum einen darf das Eurosystem keine Zinsen auf den digitalen Euro zahlen. "Es ist aber nicht gesagt, dass es für die Kunden nicht so etwas wie Zinsen oder Bonuspunkte et cetera gibt. Finanzdienstleister könnten den digitalen Euro ja in ihr Angebot einbetten und mit Produktinnovationen verbinden, etwa wo die Umwandlung in Wertpapiere belohnt wird", so Niederländer. Die Notenbanken würden es begrüßen, wenn es in diesem Feld zu Innovation und Wettbewerb kommt.

Das geplante E-Geld sei kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zum Bargeld, stellte Niederländer klar. Der digitale Euro mache "Bargeld dort möglich, wo es derzeit nicht hinreicht, und das ist der digitale Raum. Wir haben heute online kein gesetzliches europaweites Zahlungsmittel", so die OeNB-Direktorin. In der Anwendung soll der digitale Euro nicht nur mit mehr Privatheit gegenüber Paypal, Google-Pay oder Apple-Pay, Visa und Co. punkten, sondern auch mit einer einfachen Anwendung. Offlineübertragungen von Person zu Person sollen ebenso unkompliziert funktionieren wie ein U-Bahnticketkauf, ohne sich vorher langwierig zu registrieren. Was die Offlineübertragung betrifft, habe ein Pilotprojekt mit dem französischen Anbieter Worldline gezeigt, dass diese sehr gut funktioniert und Händlern eine Zeitersparnis zu bisherigen Verfahren bringen könnte – selbst dann, wenn eine Internetverbindung vorhanden ist.

3.000 Euro als Haltegrenze
Nach aktuellem Plan soll jeder Bürger 3.000 Euro in digitaler Form halten dürfen. Von dieser Haltegrenze sind die Transak­tionsgrenzen zu unterscheiden. "Es ist vorgesehen, dass der digitale Euro in unbegrenztem Ausmaß genutzt werden kann. Das heißt, eine Transaktionsgrenze gibt es de facto nicht", so Niederländer. Natürlich müsse aber ab einem gewissen Volumen eine Geldwäscheprüfung gemacht werden. Bei Zahlungseingängen greife eine Wasserfallfunktion: Beträge, die über die Haltegrenze hinausgehen, werden in Giralgeld umgewandelt. (eml)