Investmentstrategie hin oder her, über welche Anwendung aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) würde er sich ganz persönlich wirklich freuen? Dmitry Solomakhin, Portfoliomanager bei Fidelity International in London, muss nicht lange überlegen, als diese Frage kommt. "Über ein gut funktionierendes Robo-Taxi", sagt er. "Ich habe zwar meine Zweifel daran, dass es das eines Tages geben wird, aber ein fahrerloses Taxi, das tatsächlich reibungslos funktioniert, das fände ich fantastisch", erklärt er.

Die Antwort gab Solomakhin beim Diskussionspanel rund um das Thema künstliche Intelligenz, das der Kölner Dachfondsmanager Sauren im Rahmen der Feierlichkeiten zum 33-jährigen Bestehen des Hauses kürzlich veranstaltet hat. Mit dem Fidelity-Fondsmanager debattierten Jeff James, Principal und Portfoliomanager des US-Hauses Driehaus Capital Management in Chicago, und David Meyer, Gründer der New Yorker Investmentboutique Contour Asset Management. Ansgar Guseck, Portfoliomanager und Analyst bei Sauren, moderierte das kontrovers geführte Gespräch.

Viele Experimente, kein Gedanke an die Kosten
Solomakhin steht nicht nur der Entwicklung von Robo-Taxis skeptisch gegenüber. Der Portfoliomanager, der bei Fidelity den speziell für ihn aufgelegten Aktienfonds Fast Global verwaltet, vertritt zu KI insgesamt eine kritische Position. "Derzeit experimentieren Unternehmen auf diesem Gebiet enorm viel, denn niemand möchte zurückbleiben", erklärte Solomakhin. Bei all den Pilotprojekten, Modellentwicklungen und Funktionstests denke aber niemand an Kosten und Effizienz. "Es geht einzig und allein darum, die große Chance nicht zu verpassen", sagte er.

Vor allem die sogenannten Hyperscaler, also große Anbieter für Cloud-Dienste und Datenmanagement wie Amazon Web Services, Google Cloud oder Microsoft Azure, gäben aktuell sehr viel Geld aus, ohne genau zu wissen, wie sie die neu entwickelten KI-Technologien tatsächlich einsetzen und monetarisieren sollen. Solomakhin, der zwischen 2008 und 2013 als Manager eines Technologiefonds tätig war, hat solche Zyklen schon mehrfach miterlebt. "Ich habe nichts gegen KI, aber momentan klafft eine Lücke zwischen den Erwartungen des Marktes und der Realität", konstatierte er.

Mutmaßliche Verlierer shorten
Bis sich herausstellt, welche Entwicklungen tatsächlich Potenzial haben, werde noch viel Geld versenkt werden, viele Unternehmen würden zu den Verlierern gehören. Solomakhin, der sich selbst als "konträren" Investor bezeichnet, sucht für seinen Fonds in Sachen KI daher gezielt Aktien von Unternehmen, die er nicht auf der Gewinnerseite sieht, und shortet diese Titel.

Jeff James sieht die Sache anders. Er sucht seit Jahrzehnten nach fundamental starken Unternehmen speziell aus dem Bereich der US-Micro-Caps, die in Bezug auf ihr Ertragswachstum von anderen Marktteilnehmern oft falsch eingeschätzt werden. Die Hyperscaler findet er im Moment durchaus vielversprechend – und mit ihnen ihre Zulieferer.

Kleinere Unternehmen als Nutznießer
"Im aktuellen Wettlauf um die schnellsten KI-Rechenzentren und die coolsten Anwendungen tätigen die Magnificent Seven gerade sehr hohe Investitionen", erklärte er in der Panel-Diskussion. "Solange die Unternehmen weiter investieren, werden die Aktien steigen", sagte James. Er selbst setzt allerdings nicht auf Amazon, Nvidia & Co. Für den Portfoliomanager sind kleinere Firmen interessant, die die Hyperscaler mit Hardware wie Chips oder Servern ausrüsten. "Diese Anbieter sind Nutznießer der enormen Investitionen", sagte James. Daher ist er solchen Unternehmen gegenüber derzeit sehr positiv gestimmt.

David Meyer fährt hingegen eine mehr oder weniger marktneutrale Strategie – auch, was Investments in KI-Titel angeht. Das Modell passt zu seiner Auffassung, dass die Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz ebenso Gewinner wie Verlierer mit sich bringen werden. "Ich denke, dass KI in den nächsten fünf Jahren eine großartige Kulisse für Long- und Short-Aktien schaffen wird, und zwar nicht nur im Technologiebereich, sondern auch in anderen Branchen", sagte Meyer.

Sektoren mit möglicher Preisdeflation
"Wir verbringen viel Zeit damit, uns mit Sektoren zu beschäftigen, in denen auf mehrjähriger Basis eine Preisdeflation möglich ist", erklärte er. Einer der wichtigsten Anwendungsfälle für generative KI sei die Softwareentwicklung, genauer gesagt, die Produktivität der Entwickler selbst. "Es gibt einige gut informierte Leute, die glauben, dass wir in den nächsten fünf Jahren eine fünf bis zehn Mal so hohe Produktivität sehen könnten", so Meyer. Sollte es dazu kommen, würden nach seiner Meinung die Preise für Software stark sinken.

"Aufgrund der nicht ausreichenden Produktivität in der Entwicklung gab es in den vergangenen zehn Jahren mehr Nachfrage als Angebot, was die Preise ständig in die Höhe trieb", sagte Meyer. Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz könnte sich das bald ändern. "Ich glaube, dass die KI einfach für jede Branche von großer Bedeutung sein wird, und natürlich wird sie auch viele Profiteure hervorbringen", erklärte Meyer.

Kein anderer Job
Und was würde der Fondsboutique-Gründer beruflich tun, wenn er noch einmal Anfang 30 wäre? Welche Art von Unternehmen würde er angesichts der Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz heute aus der Taufe heben? "Eine Investmentboutique", lautet Meyers Antwort auf die abschließende persönliche Frage. "Ich wusste schon auf der High School, dass ich einmal beruflich investieren will, und das möchte ich tun, solange ich kann", sagt Meyer – KI hin oder her. (am)