Recht ungeniert war in den vergangenen Wochen durchgesickert, dass Deutsche-Bank-Chefkontrolleur Paul Achleitner John Cryan an der Spitze des größten deutschen Geldhauses ersetzen will. Die beiden hatten sich überworfen, Cryan hatte noch vor Ostern in einem Brief an die Mitarbeiter angekündigt, er werde um seinen Job kämpfen. Nun präsentiert der Aufsichtsratschef mit Christian Sewing über Nacht einen internen Kandidaten. Der bisherige Privat- und Firmenkundenvorstand übernimmt ab sofort die Verantwortung. Cryan verlässt die Bank, ebenso wie Investmentbanking-Co-Vorstand Marcus Schenck, der als zweiter "Kronprinz" auf eine mögliche Cryan-Nachfolge gehandelt worden war.

Achleitner hatte Schenck und Sewing vor einem Jahr als Quasi-Reservisten unter Cryan installiert. Nun setzte sich der Privatkundenchef gegen den Investmentbanker durch. "Christian Sewing hat in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat", lässt sich Achleitner in einer Mitteilung zitieren. "Der Aufsichtsrat ist überzeugt, dass es ihm und seinem Team gelingen wird, die Deutsche Bank erfolgreich in eine neue Ära zu führen."

Externe Kandidaten winken ab
Ob dies tatsächlich gelingt, bleibt abzuwarten. Ähnlich verheißungsvoll waren schon Cryan und zuvor das umstritteene Duo Anshu Jain und Jürgen Fitschen angekündigt worden. Tatsächlich dürfte Sewing eher der kleinste gemeinsame Nenner gewesen sein, den Achleitner sowohl gegenüber den Anteilseignern als auch den Mitarbeitern durchsetzen konnte. Mit der Suche nach einem externen Ersatz für Cryan war der österreichische Chefkontrolleur augenscheinlich gescheitert.

So sollen Medienberichten zufolge der Europa-Chef von Goldman Sachs, Richard Gnodde, der Leiter der italienischen Großbank Unicredit, Jean Pierre Mustier, sowie der Chef des britischen Finanzhauses Standard Chartered, Bill Winters, angesprochen worden sein. Alle lehnten ab. Auch der Österreicher Christian Meissner, der für die Bank of America arbeitet, und Matt Zames, ein ehemaliger Top-Manager von JP Morgan, sollen dankend abgelehnt haben. Der Chefposten bei dem seit Jahren angeschlagenen deutschen Geldhaus scheint international demnach nicht übermäßig begehrt zu sein.

Verschleiß an Vorstandschefs
Weshalb Cryans Ablösung derart hastig erfolgte, erschließt sich von außen betrachtet nicht. Dem als erfahrenen Sanierer angeheuerten Briten war es immerhin gelungen, eine dringend benötigte Kapitalerhöhung zu stemmen, den erfolglosen Postbank-Verkauf umzukehren und das Institut wieder einzugliedern sowie die Fondstochter DWS an die Börse zu bringen. Zudem setzte er an, die überholte IT-Infrastruktur zu erneuern.

Anders als Jain bemühte sich Cryan offenbar auch ernsthaft, Deutsch zu lernen und so den Kontakt zu Mitarbeitern, Unternehmenskunden und Aktionären im Inland zu suchen. An der grundsätzlichen Strategie, sowohl das Privat- und Firmenkundengeschäft als auch das Investmentbanking fortzusetzen, durfte Cryan hingegen nicht rütteln. Die Fortführung beider Geschäftsbereiche ist augenscheinlich eine Maxime von Achleitner.

Darüber gerät auch der Österreicher selbst offenbar unter den Anteilseignern zunehmend in die Kritik. Immerhin sitzt Achleitner seit 2012 im Sattel, verantwortet also einen guten Teil des Deutsche-Bank-Dramas mit. Auch der Unmut über den hohen Verschleiß an Vorstandschefs wächst. Immer mehr Investoren stellen die Frage: Wählt Achleitner wirklich die geeigneten Personen aus, wenn sie nach kurzer Zeit wieder geschasst werden?

Lieber Personal- statt Strategiewechsel
Achleitner taugt demnach augenscheinlich nur für Personal- und nicht für Strategiefragen. So stellt er dem neuen Primus Sewing vorsorglich wieder gleich zwei Vize zur Seite, Investmentbankchef Garth Ritchie und Rechtsvorstand Karl von Rohr. Zudem erhält Postbank-Chef Frank Strauß die Alleinverantwortung für das Privat- und Firmenkundengeschäft, das er bisher zusammen mit Sewing leitete. Ob der Chefkontrolleur sich aber mit einer weiteren Personalrochade retten kann, wenn dem Institut nicht bald die geschäftliche Wende zum Erfolg gelingt, erscheint fraglich. (ert)