Bei jedem zweiten ihrer Institute stehe die Risikoampel derzeit auf gelb oder auf rot, sagt Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe (SVWL). Unabhängig davon fordert sie mehr Konsolidierung im Sektor. Chancen für eine große Fusion von Dekabank und Helaba sieht sie derzeit aber nicht, so Buchholz im Interview mit der Nachrichtenagentur "Bloomberg".

"Solchen Zinsschock selbst in extremsten Simulationen nicht durchgerechnet"
Den wahrscheinlichen Abschreibungsbedarf auf Eigenanlagen verortete sie im "oberen dreistelligen" Millionen-Euro-Bereich, bezogen auf 2022 und ihr Verbandsgebiet. "Die Zinsen sind um mehr als zwei Prozent nach oben geschnellt, was sich auf die aktuellen Bewertungen von Anleihen auswirkt", erklärte Buchholz. "Einen solchen Zinsschock hatten wir selbst in unseren extremsten Simulationen nicht durchgerechnet."

Viele Sparkassen hatten in den vergangenen Jahren überschüssige Mittel in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, die mit der Zinswende massiv an Wert verloren haben. Das schlägt auch beim Ampelsystem durch, mit dem intern die Risikolage bei Sparkassen überwacht wird. "Vor allem wegen der Abschreibungen auf Eigenanlagen steht bei jeder zweiten unserer Sparkassen die Ampel derzeit auf gelb oder rot", sagte Buchholz. Das ziehe unter anderem erweiterte Berichtspflichten gegenüber dem Sicherungssystem nach sich. 

Die westfälische Sparkassenpräsidentin gibt sich dennoch bezüglich der Abschreibungen gelassen. Sie würden in den nächsten drei Jahren durch Zuschreibungen wahrscheinlich wieder ausgeglichen werden, sagte sie, da die Anleihen bis zum Ende der Laufzeit gehalten würden. Andere Regionalverbände argumentieren ganz ähnlich. Buchholz verwies auch darauf, dass es operativ im vergangenen Jahr gut gelaufen sei. Der Zinsüberschuss der SVWL-Sparkassen sei um rund 100 Millionen Euro gestiegen, das Provisionsergebnis um etwa 50 Millionen Euro. 

Kreditausfälle dürften zunehmen
Unterdessen rücken neue Herausforderungen in den Blick. Buchholz erwartet für das laufende Jahr einen Anstieg der Unternehmenspleiten und damit auch einen Anstieg der Kreditausfälle. "2023 wird einiges auf uns zukommen, da muss man realistisch sein", sagte sie. In gewisser Weise handele es sich aber auch um eine Normalisierung, da die Zahlen während der Pandemie sehr niedrig gewesen seien. 

Keine Fusion von Deka und Helaba
Buchholz hat klare Vorstellungen dazu, wie es im Sparkassen-Sektor weitergehen soll. "Es ist wichtig, dass wir Doppelstrukturen im Sektor abbauen", sagte sie. "Es gibt zu viele Überschneidungen in der Gruppe, viele zanken sich um dasselbe Stück Kuchen." Ausdrücklich lobte sie die jüngste Vereinbarung von Helaba und LBBW, bestimmte Dienste, die von beiden angeboten wurden, bei jeweils einem Haus zusammenzuführen. 

Dass sie die diskutierte Fusion von Dekabank und Helaba "in den nächsten Jahren" nicht erwartet, begründet sie auch mit der Eigentümerstruktur der Helaba. Während die Dekabank den Sparkassen ganz gehört, zählt zu den Trägern der Helaba unter anderem das Land Hessen. Viele Sparkassen-Chefs sind gegen Bundesländer im Eigentümerkreis. "Ich sehe in der Gruppe derzeit keine Mehrheit dafür, dem Land seine Anteile abzukaufen", so Buchholz. (mb/Bloomberg)