Seit Juli 2022 leitet Markus Weis das Deutschlandgeschäft von SPDR, der ETF-Sparte des US-Vermögensverwalters State Street Global Advisors. Bislang konzentrierte sich das Team hierzulande vor allem auf professionelle Anleger. Künftig soll auch das Geschäft mit Intermediären wie Direktbanken, Finanzberatern oder Online-Brokern im Fokus stehen, erläutert Weis im Interview mit FONDS professionell ONLINE.


Herr Weis, Sie haben sich nach fast fünf Jahren bei Vanguard für einen Wechsel zu SPDR ETF entschieden. Warum?

Markus Weis: Die Zeit bei Vanguard hat mir viel Spaß bereitet und es ist uns, denke ich, auch gut gelungen, den Anbieter in Deutschland zu etablieren. Dass ich mich jetzt für SPDR entschieden habe, hat zwei wesentliche Gründe. Zum einen bin ich sehr am Austausch mit professionellen Investoren interessiert und diskutiere gerne über die Entwicklungen an den Kapitalmärkten, zum Beispiel: Wie entwickeln sich die Zinsen? Welche Anlagestile dürften in den kommenden Monaten gefragt sein? Für Fragen dieser Art ist SPDR der perfekte Ansprechpartner, und in dieser Zielgruppe ist unser Unternehmen traditionell sehr stark vertreten.

Sie haben doch aber auch bei Vanguard professionelle Kunden wie Vermögensverwalter oder Asset Manager betreut, oder?

Weis: Das stimmt. Jetzt bei SPDR kann ich diesem Publikum allerdings ein noch breiteres Produktangebot unterbreiten, beispielsweise wenn es nicht nur um Investments in die breiten Standardindizes geht, sondern auch um Anlagethemen wie Branchen, Wandelanleihen oder Hochzinspapiere. Hier bietet SPDR eine Vielzahl von attraktiven ETF-Lösungen. Auch was Markteinschätzungen und Analysen zu verschiedenen Anlageklassen angeht, ist es wirklich beachtlich, was SPDR im Vergleich zu vielen Mitbewerbern zu bieten hat.

Sie sprachen von zwei Gründen, die Sie zum Wechsel bewogen haben. Was war der zweite?

Weis: Für SPDR kann ich wieder die Gesamtverantwortung übernehmen und vor allem Aufbauarbeit leisten. Denn was die Bekanntheit der Marke SPDR ETFs anbelangt, haben wir hierzulande noch Luft nach oben. Unsere ETFs sind hervorragende Anlageprodukte – aber noch nicht jeder kennt sie. Ich möchte dabei helfen, das zu ändern.

Wie ist Ihr Team in Frankfurt denn mittlerweile aufgestellt?

Weis: Zu Jahresbeginn stieß ein neuer Kollege zum Team, jetzt sind wir zu acht im Frankfurter Büro. Fünf sind in der direkten Kundenbetreuung tätig, jeweils jeder mit mehr als zehn Jahren Branchenerfahrung. Hinzu kommen ein Fixed-Income-Spezialist, eine Marketing-Expertin und seit einigen Monaten eine ETF-Strategin. Ein echter Pluspunkt ist außerdem die weitere Unterstützung aus London. Dort sitzen beispielsweise zwei Kollegen, die für unsere Investoren Modellportfolios berechnen, und drei Experten für die Portfolioanalyse. Sie können den Kunden unter anderem detailliert aufzeigen, wie konzentriert ihr Portfolio ist oder wie es um verschiedenste ESG-Faktoren bestellt ist.

Mit der Aufstockung des Teams sind mutmaßlich Wachstumsziele verbunden. Wie möchten Sie das Geschäft von SPDR in Deutschland weiter voranbringen?

Weis: Wir möchten unseren Fokus erweitern und werden künftig dezidiert drei Zielgruppen ansprechen. Da sind einmal die erwähnten professionellen Anlageentscheider wie Asset Manager, Vermögensverwalter oder Family Offices, die unsere ETFs für strategische, aber auch taktische Allokationen nutzen. Das ist und bleibt auf absehbare Zeit unsere wichtigste Kundengruppe. Neu ist, dass wir gezielt mit Intermediären zusammenarbeiten, die Endkunden betreuen, also Banken mit Retailgeschäft, Online-Broker, freie Finanzberater oder auch Versicherer mit ihren Fondspolicen. Wir sind gerade dabei, dieses Marktsegment für SPDR ETFS zu erschließen.

Wie soll das gelingen?

Weis: Zu sehr ins Detail kann ich noch nicht gehen, nur so viel: Wir haben bereits mit einigen Banken strategische Partnerschaften geschlossen, zu denen beispielsweise auch ein vergünstigter Erwerb unserer Produkte für Sparpläne gehört. Unser Ziel ist es, Endanlegern den kostengünstigen Zugang zu unseren ETFs zu ermöglichen. Zusätzlich werden wir in den kommenden Monaten die Visibilität der Marke SPDR über dezidierte Marketingaktivitäten deutlich erhöhen.

Sie sprachen von drei Zielgruppen – was ist die dritte?

Weis: Das sind die institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Versorgungswerke oder Versicherer mit ihrem Deckungsstock, denn für diese Anleger spielen ETFs eine zunehmend größere Rolle. Hier sind die Liquiditätsvorteile von ETFs von Bedeutung, da mit ihnen ein breiter Anlage-Basket mit nur einer Transaktion gehandelt werden kann. Institutionellen Inverstoren helfen wir mit besonderen Services bei ihrer strategischen Asset-Allokation und den spezifischen Reporting-Anforderungen.

Passiert Ihr Eintritt in das Retailsegment nicht zu einem schlechten Zeitpunkt? Viele der neuen Anleger, die sich in der Corona-Pandemie erstmals an ETFs gewagt haben, wurden 2022 auf dem falschen Fuß erwischt. Sie sitzen heute mitunter auf herben Verlusten – insbesondere, wenn sie auf Renten-ETFs gesetzt haben, die ihnen als "Sicherheitsbaustein" angepriesen wurden.

Weis: Natürlich war das für alle Anleger ein schwieriges Jahr, auch für die selbstentscheidenden Privatanleger, die in der Vergangenheit größtenteils auf Aktien-ETFs gesetzt haben. Allerdings war deren Minus, gemessen an einem breiten Index wie dem MSCI World, im vergangenen Jahr mit etwa 20 Prozent ein Verlustjahr, wie es eben bei Aktien hin und wieder vorkommt. Unser Eindruck ist: Vielen Privatanlegern ist bewusst, dass sie sich auf zwischenzeitliche Verluste dieser Größenordnung einstellen müssen. Renten-ETFs spielen dagegen für selbstentscheidende Privatanleger eher eine untergeordnete Rolle und somit hat diese Investorengruppe auch den historischen Kursverlust am Rentenmarkt nicht direkt mitbekommen. Erheblich staunen musste im vergangenen Jahr dagegen eine andere Gruppe von Privatanlegern: Wer in konservative Mischfonds investiert war, hatte plötzlich ein deutliches Minus im Depot stehen. Das vergangene Jahr hat uns wieder gelehrt, dass Investieren in Kapitalmärkte langfristig zu betreiben ist, um Verluste wieder aufzuholen.

Der Trend hin zu ETFs auf dem Retailmarkt ist also intakt?

Weis: Auf jeden Fall. Das Wachstum mag sich zwar etwas verlangsamt haben, es ist aber nach wie vor vorhanden. Gerade im Retailsegment ist der ETF-Boom ungebrochen. Gut ablesen lässt sich das an den Zahlen, die der Branchendienst "Extra ETF" jeden Monat bei einem guten Dutzend Banken vorwiegend aus dem Selbstentscheider-Segment erhebt. Demnach hatten Privatanleger aus Deutschland Ende Oktober 2022 rund 85,5 Milliarden Euro in ETFs investiert. Ende 2021 waren es 83,3 Milliarden. Das investierte Volumen ist also um gut zwei Milliarden Euro gewachsen, obwohl die Aktienkurse, wieder gemessen am MSCI World, in dieser Zeit um gut ein Fünftel gefallen sind. Die Zahl der ETF-Sparpläne hat sich im gleichen Zeitraum übrigens ebenfalls erhöht, und zwar um gut 300.000 auf 3,6 Millionen, was angesichts der vielen schlechten Nachrichten im vergangenen Jahr schon eine beachtliche Entwicklung ist. Der ETF ist und bleibt ein attraktives Anlageinstrument für Privatanleger. Breit gestreut zu geringen Kosten investieren: Was will man mehr?

Ein aktiver Asset Manager würde Ihnen widersprechen. Vor der Krise mag es sich ausgezahlt haben, einfach den gesamten Aktienmarkt zu kaufen – es ging ja immer nur aufwärts. Künftig aber wird es mehr denn je darauf ankommen, die Gewinner und Verlierer an der Börse zu identifizieren. Und das leistet ein ETF nun mal nicht.

Weis: Den allermeisten Fondsmanagern gelingt das aber ebenfalls nicht, auch nicht in der Krise. Das von Ihnen zitierte Argument wird zwar seit vielen Jahren immer wieder vorgebracht, es ging aber nie auf. In den großen Assetklassen bleiben regelmäßig 80 bis 90 Prozent der aktiv gemanagten Fonds hinter ihrem Vergleichsindex zurück, das zeigen zig Untersuchungen. Dass sich immer mehr Anleger dafür entscheiden, sich angesichts dieser Zahlen gleich den Index zu kaufen, ist da nur rational.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)