Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nach rund sechs Jahren in letzter Instanz einen Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Hamburg und der Allianz Leben weitgehend zugunsten Letzterer entschieden. Das oberste deutsche Gericht hat in dem am Mittwoch (18.9.) ergangenen Urteil (Az.: IV ZR 436/22) die vom Versicherer bei der Rentenversicherung "Allianz Perspektive" praktizierte Verteilung der laufenden Überschüsse als zulässig eingestuft. Ferner sind die Vertragsklauseln zur Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten sowie zum Stornoabzug wirksam, wie der BGH mitteilt. Die beiden Vorinstanzen, das Landgericht und das Oberlandesgericht Stuttgart, hatten noch der Verbraucherzentrale teilweise recht gegeben.

Die Verbraucherschützer hatten geklagt, weil sie der Ansicht sind, dass die Verteilung der Überschussbeteiligungen bei dem zur Gruppe der "Neuen Klassik" gehörenden Produkt ungerecht ist. So haben Kunden, die seit 2017 Policen mit einem niedrigen Rechnungszins abgeschlossen hatten, eine höhere laufende Überschussbeteiligung erhalten als Versicherte, die ihre Verträge zwischen 1994 und 2016 abgeschlossen hatten – auch wenn diese Tarife im Gegenzug einen höheren Rechnungszins haben. Die Verbraucherzentrale sieht darin unter anderem einen Verstoß gegen die Vorgaben von Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV) sowie eine Verletzung des aufsichtsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Versicherungsaufsichtsgesetz und Versicherungsvertragsgesetz. 

BGH: Keine Ungleichbehandlung
Der für Versicherungsfragen zuständige vierte Senat des BGH meint aber, dass die Praxis der Allianz rechtens ist. "Weder der aufsichtsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch die Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren verbieten zudem im Grundsatz eine sogenannte 'risikoadjustierte Gesamtverzinsung', bei der den Verträgen mit einer höheren Garantieverzinsung eine in Prozent ihres Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zugeteilt wird als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins", schreiben die Richter. 

Die Vertragsklauseln zu den Kosten der Allianz-Policen beanstandet der BGH ebenfalls nicht. Der Versicherer legt in den Versicherungsbedingungen fest, dass die Abschluss- und Vertriebskosten in gleichmäßigen Jahresbeträgen über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis Ende der Ansparphase verteilt werden. Zudem stufen die Richter auch die Klauseln der Allianz zum Stornoabzug als zulässig ein, wenngleich der Versicherer hohe Gebühren für Verwaltungsaufwendungen bei Beitragsfreistellung und Kündigung verlangt. Die Klauseln halten laut Mitteilung des BGH einer Inhaltskontrolle, gemessen am Maßstab des Transparenzgebots gemäß Paragraf 307 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch, stand.

Verbraucherschützer befürchten negative Auswirkungen auf Vertrieb
Die Allianz Leben begrüßt das Urteil in einer direkt nach Veröffentlichung des Gerichtsurteils versandten Mitteilung. Die Verbraucherzentrale dagegen kritisiert die Entscheidung aus Karlsruhe und rechnet  damit, dass sich das Urteil auf den Vertrieb von Rentenversicherungen auswirken wird – zum Nachteil der Verbraucher. "Wir befürchten, dass die begünstigte Überschussbeteiligung von jüngeren Verträgen Schule macht und Vertriebskräfte dies als absatzförderndes Argument nutzen. Dadurch wird eine kapitalbildende Versicherung aber immer noch nicht zu einem bedarfsgerechten Produkt", sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. (jb)