Verbraucherschützer haben lange Zeit auf das Sparbuch als letzte Bastion gegen Strafzinsen verwiesen. Doch das Bollwerk beginnt zu wackeln. Grund: Die Commerzbank und die Targobank erheben mittlerweile selbst auf Sparbücher ab einem bestimmten Freibetrag Negativzinsen oder als "Verwahrentgelt" getarnte Extra-Gebühren. Das förderte eine Recherche des "Hamburger Abendblatts" (HAB) zutage, das eine Umfrage gestartet hatte, welche Bankprodukte überhaupt einem Negativzins unterliegen. 

Die Commerzbank verlangt bei Sparkonten ab einem Freibetrag von 100.000 Euro, bezogen auf alle Spar- und Einlagenkonten zusammengerechnet, insgesamt 0,5 Prozent Negativzinsen im Jahr. Die Regeln gelten bislang nur für Neukunden, da die Bank zum 1. Juli 2020 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert hatte. "Neben Einlagen- und Girokonten werden hierbei auch Sparkonten berücksichtigt. Der Kunde wird hierzu im neuen Preis- und Leistungsverzeichnis der Commerzbank aufgeklärt", teilt das Geldhaus auf Nachfrage von FONDS professionell ONLINE mit. Aber auch Bestandskunden drohen Verwahrentgelte auf Spareinlagen: Die Vereinbarungen sollen laut dem Banksprecher "individuell im Kundengespräch besprochen und vereinbart" werden.

Gestaffeltes Entgelt bei der Targobank
Die Targobank hat zum 1. April für neue Kunden ebenfalls ein Verwahrentgelt eingeführt. Nur bis zu einer Summe von 50.000 Euro auf dem Giro- oder Verrechnungskonto und daneben bis zu 50.000 Euro in allen sonstigen Einlageformen wie Tagesgeld oder Sparkonten bleiben die Einlagen weiterhin kostenlos.

Darüber wird es teuer, denn die Höhe des monatlichen Entgeltes ist ab da gestaffelt: Zwischen 50.000 und 100.000 Guthaben fallen zehn Euro an, für 100.000 bis 250.000 Euro 20 Euro, für 250.000 bis 500.000 Euro 35 Euro und ab 500.0000 Euro 50 Euro. Allerdings zahlt die Bank laut einem Sprecher "formal" weiterhin Guthabenzinsen.

Strafzinsverbot bei Sparbüchern ist "allgemein akzeptiert"
Aktiv vertrieben werden klassische Sparbücher in Papierform schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Der Schritt der beiden Banken überrascht deshalb umso mehr, weil generell auf Sparguthaben mit dreimonatiger Kündigungsfrist und einem maximalen Abhebungsbetrag von monatlich 2.000 Euro nach gültiger Rechtsauffassung keine Negativzinsen erhoben werden können.

Das sei dem HAB zufolge zwar nirgends festgeschrieben, aber allgemein akzeptiert. "Bei einem Sparvertrag ist die Bank juristisch gesehen die Darlehensnehmerin. Die Kunden sind Darlehensgeber und erhalten dafür Zinsen – und zwar positive. Ein Sparbuch mit Negativzinsen wäre kein Sparkonto mehr", erklärt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale (VZ) Hamburg gegenüber Zeitung. 

Öffentlich-rechtliche Geldhäuser halten die Füße still  – noch
Dieser Interpretation schließen sich der Deutsche Sparkassen und Giroverband (DSGV) sowie der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken an. "Nach vorherrschender Rechtsauffassung können auf Spareinlagen keine Negativzinsen erhoben werden", sagt DSGV-Sprecher Stefan Marotzke der Zeitung. Der Bundesverband der deutschen Banken (BDB), zu dessen Mitgliedern die Commerzbank und die Targobank zählen, teilte dagegen mit, dass die Gestaltung der Preiskonditionen alleinige Sache der Mitgliedsbanken sei. "Wir sind von der Rechtsmäßigkeit unseres Gesamtmodells überzeugt", erwidert eine Sprecher der Targobank auf Anfrage von FONDS professionell. Die Commerzbank teilte mit, dass ihr Vorgehen "unserer Meinung nach" der gültigen Rechtsauffassung entspreche. 

Der Vorstoß der beiden Häuser dürfte eine branchenweite Debatte lostreten und rasch Nachahmer finden. Möglicherweise wird die Frage, was eine Spareinlage genau darstellt und ob man durch einseitigen Beschluss auch nachträglich Gebühren auf diese erheben kann, bald gerichtlich geklärt werden: Die VZ Hamburg droht jeder Bank, die Negativzinsen auf Sparbücher erhebt, vorsichtshalber schon einmal mit Klage. (jb)