Für Union Investment läuft das Geschäft derzeit blendend: Das Investmenthaus der Genossenschaftsbanken ist in diesem Jahr Deutschlands mit Abstand absatzstärkster Fondsanbieter. Gemessen am verwalteten Vermögen in Publikumsfonds ist inzwischen nur noch die Deutsche Asset Management größer, zeigen Zahlen des Branchenverbands BVI. Doch auf solchen Erfolgen ruht sich Vorstandschef Hans Joachim Reinke nicht aus. Ein Beispiel dafür ist Visualvest, der konzerneigene Robo-Berater. Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE erläutert Reinke die Hintergründe für seinen Ausflug in die Welt der Fintechs.

Herr Reinke, seit März ist Visualvest am Start, Ihr Robo-Berater. Warum haben Sie sich dazu entschieden, in diesen Markt einzusteigen?

Hans Joachim Reinke: Ganz einfach: Weil ich von Leuten lernen wollte, die zumeist nicht Kunden einer genossenschaftlichen Bank sind – die 18 bis 35 Jahre alt sind, eher aus einem städtischen Umfeld kommen, sich in sozialen Medien bewegen und unter Umständen nie mehr eine Filiale betreten. Die Frage ist, wie diese Leute ihre Geldanlage handhaben. Visualvest gehört daher für uns in den Bereich "Forschung und Entwicklung". Wir haben auf jeden Fall schon viel gelernt.

Und zwar?

Reinke: Sehr gut kommt das Konzept an, den Anlegern monatlich Rückmeldung zu geben, ob sie ihr anfangs definiertes Sparziel voraussichtlich erreichen werden oder nicht. Wenn das System den Kunden in volatilen Märkten vorrechnet, das sie beispielsweise lieber 225 statt wie bisher 210 Euro sparen sollten, schießen die meisten direkt Geld nach. Das funktioniert sensationell. Generell aber unterscheidet sich die Zielgruppe von Visualvest kaum von traditionellen Anlegern. Ihr Finanzwissen ist nicht höher als das von anderen Kunden. Außerdem fällt es auch ihnen schwer, in Finanzangelegenheiten Vertrauen in einen neuen Anbieter zu fassen.

Wie viele Kunden haben denn schon bei Visualvest investiert?

Reinke: Etwa 500. Für die erste Phase ist das ein guter Erfolg, meine ich. Die Zielgruppe findet das Angebot zwar sehr interessant, es findet viel Kommunikation und Information statt. Die Hürde, online einen Abschluss zu tätigen, ist aber sehr hoch – gerade bei einer noch unbekannten Marke.

Heißt das, dass Sie eines Tages einen Robo-Berater unter der Marke Union Investment starten werden?

Reinke: Eine ketzerische Frage (lacht). Wir möchten uns bis Ende 2017 Zeit nehmen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Dann haben wir valide Zahlen. Möchte ich einen Robo-Berater unter der unserer eigenen Marke ausschließen? Nein! In jedem Fall würde ein solches Projekt aber in enger Abstimmung mit den Volks- und Raiffeisenbanken stattfinden.

War die Empörung unter Ihren Bankpartnern eigentlich groß, weil "ihr" Fondsanbieter jetzt auch direkt um Endkunden wirbt?

Reinke: Ich habe sehr viele Gespräche geführt und erklärt, was wir da eigentlich machen. Insofern gab es anfangs eine gewisse kommunikative Aufregung. Inhaltlich habe ich aber sehr viel Zustimmung erfahren. Auch die Genossenschaftsbanken sind der Meinung, dass wir die Möglichkeit haben müssen, neue Technologien zu testen, und zwar mit Menschen, die bislang nicht unsere Kunden sind.

Visualvest vermittelt ETF- und Fondsportfolios mit Produkten von insgesamt 14 Anbietern. Ausgerechnet Fonds von Union Investment sind nicht dabei. Warum das?

Reinke: Weil ich gesagt habe, dass unsere Fonds ausschließlich den Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken vorbehalten bleiben. Es ging darum, etwas Neues auszuprobieren – mit neuen Kunden, weit entfernt von unserer bisherigen Sphäre. Darum ist Visualvest auch nicht von einem Team innerhalb unseres Hauses aufgebaut worden, sondern als schlankes Start-up außerhalb der Organisation, das sehr schnell innerhalb von sechs Monaten auf die Beine gestellt wurde. Dort arbeiten auch viele Nicht-Banker, die andere Sichtweisen und Kenntnisse einbringen. So lernen wir von Visualvest nicht nur etwas für unsere Kunden, sondern auch für die Mitarbeiter – etwa, wenn es darum geht, Prozesse aus der analogen in die digitale Welt zu übertragen.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)


Ein ausführliches, fünfseitiges Interview mit Hans Joachim Reinke finden Leser in der Heftausgabe 4/2016 von FONDS professionell, die Ende November erscheint.