Union-Investment-Chef: "Wirecard hatte ein gutes Geschäftsmodell"
Hans Joachim Reinke hat sich in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zum Fall Wirecard geäußert. Dort macht er klar, dass man sich trotz sorgfältiger Recherche am Ende niemals gegen Betrug schützen kann.
Hans Joachim Reinke, Vorstandschef des Asset Managers Union Investment, redet sich nicht heraus. In einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) steht er zu den Investments, die seine Gesellschaft in die Aktie des nun insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard getätigt hatte und gegen dessen Führungsriege wegen Betrugsverdachtes ermittelt wird. Zugleich betont er, dass die Verluste für die eigenen Kunden vergleichsweise überschaubar seien. Im breit gestreuten Fonds Uniglobal beispielsweise habe der Wirecard-Kurskollaps gerade mal 0,39 Prozentpunkte an Performance gekostet.
Der Fondsanbieter des genossenschaftlichen Finanzverbundes hatte wie viele andere Asset Manager in die Wirecard-Aktie investiert. Nachdem das in Aschheim bei München ansässige Unternehmen am 18. Juni massive Bilanzprobleme hatte einräumen müssen, stürzte die Aktie ab. Mittlerweile ist sie an der Börse weniger als zwei Euro wert – der Jahreshöchststand lag bei 146 Euro. Union Investment hat aber schon nach dem 28. April 2020 das Engagement in das Wirecard-Papier drastisch reduziert. An diesem Tag kam es zu einem ersten kräftigen Kursrutsch. Die Notierung eröffnete mit 126,98 Euro und schloss mit 100,28 Euro. "Wir wurden skeptisch, als der KPMG-Sonderbericht rauskam", erklärte Reinke der FAZ.
Vertrauen auf die Wirtschaftsprüfer
Reinke betont gegenüber der Zeitung, dass Wirecard ein gutes Geschäftsmodell gehabt habe. Auch operativ schien die Gesellschaft Gewinne zu erzielen. Dazu seien die testierten Jahresabschlüsse gekommen. "Wenn mir eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wie EY sagt, dass die Jahresabschlüsse in Ordnung sind, dann glaube ich das natürlich erst mal", wird der Chef des Vermögensverwalters zitiert.
Zwar habe es durchaus Berichte über Unregelmäßigkeiten gegeben, diese seien Reinke zufolge aber nicht so eindeutig gewesen. Den vielleicht wichtigsten Punkt nennt Reinke den FAZ-Redakteuren zum Schluss: "Wir standen in einem guten Dialog mit Vorstand und Aufsichtsrat. Gegen Betrug aber können wir am Ende auch nichts machen." Ein Wort an Neunmalkluge, die sich für besonders schlau halten, hat Reinke ebenfalls parat: "Allen, die jetzt aus der Kiste kommen und es vorher gewusst haben wollen, sage ich ganz klar: Nein, das habt ihr nicht.“ (jb)
Kommentare
Wirecard
AntwortenNun ja, die Leute von der Financial Times sehen das wohl anders. Und auch die Short-Seller, die teilweise schon vor vielen Jahren auch bei Behörden vorstellig wurden, würden den letzten Satz wohl nicht unterschreiben. Mir stellt sich eher die Frage, wie eigentlich Fundamentalanalyse betrieben wird. Wenn man sich lediglich die Bilanzzahlen ansieht, eine Bilanzanalyse erstellt (musste ich früher bei einer Bank auch machen) und dann ein nettes Gespräch mit dem Vorstand führt, wobei dann wahrscheinlich kritische Fragen aussen vor blieben (Dubai?, extrem höhe Margen im Vergleich zu allen Mitbewerbern? Kundenkontakte, die gar nicht existierten?), dann darf man sich nicht wundern. Ein bisschen gesunder Menschenverstand und Hinterfragen, ob die Zahlen überhaupt stimmen können, hätte nicht geschadet. Als Technikfan war ich Gott sei Dank eh nicht investiert, obwohl die Aktie zu meinen 30 Aktien aus dem Deutschland-Depot gehört, die maximal 3 % hätten schon weh getan....Aber das ist halt so wie bei Bewerbungsgesprächen, wenn man die Stelle unbedingt besetzten will, werden kritische Fragen erst gar nicht gestellt...
gurniak@yahoo.de am 24.07.20 um 11:38