Der amerikanische Fondsgigant Vanguard ist im Februar mit seiner digitalen Vermögensverwaltung in Deutschland gestartet. Bei dem Vanguard Invest getauften Dienst meidet der US-Riese den Begriff Robo Advisor. Der Leiter des Online-Angebots, der frühere Chef des Fintechs Ratepay Jesper Wahrendorf, erläutert im Interview, welche Ziele sich das Haus gesetzt hat und wie es die kapitalmarktscheuen Deutschen für seine Angebote gewinnen will.

Herr Wahrendorf, Vanguard Invest richtet sich direkt an Privatanleger. Die meisten Asset Manager vertreiben ihre Produkte hingegen über Vertriebspartner. Warum dieser Schritt?

Jesper Wahrendorf: Vanguard tritt in den USA, Großbritannien und Australien bereits mit einem Angebot direkt an Privatkunden heran. Dies unterbreiten wir nun auch Privatanlegern in Deutschland. Der deutsche Markt mag zwar als "over-banked" gelten, doch hinsichtlich günstiger und einfacher Kapitalmarktprodukte halten wir ihn für unzureichend versorgt.

Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Angebot Vanguard Invest?

Wahrendorf: Wir bieten eine Geldanlage, die so einfach wie möglich einen breit gestreuten Zugang zu den Kapitalmärkten eröffnen soll. Das Motto lautet: Besser den Heuhaufen kaufen als die Nadel im Heuhaufen suchen. Wir prüfen täglich, ob die Allokation in den Portfolios noch den Vorgaben entspricht. Allerdings versuchen wir, das Eingreifen zu minimieren. Denn dies ist mit Kosten für die Anleger verbunden. Und hohe Kosten wollen wir vermeiden. Eine gesonderte Risikosteuerung, etwa nach Faktoren wie Value at Risk, betreiben wir bewusst nicht.

Das klingt wie ein Robo Advisor.

Wahrendorf: Der Begriff Robo Advisor impliziert, dass hier eine künstliche Intelligenz agiert. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich schlicht um eine entsprechend des Risikoprofils erstellte Allokation, die per Rebalancing auf dem gewünschten Stand gehalten wird.


Wie Branchenkenner die neue Online-Vermögensverwaltung beurteilen und welche Chancen Vanguard eingeräumt werden, lesen Sie in der neuen Ausgabe 2/2022 von FONDS professionell. Angemeldete Nutzer finden den Artikel auch hier im E-Magazin.


Deutsche gelten bei der Geldanlage als Kapitalmarktmuffel. Und digitale Vermögensverwalter gibt es auch schon einige. Wie gut stehen da Ihre Chancen?

Wahrendorf: Wir haben den Markt sehr lange und eingehend beobachtet. Gerade einmal 17 Prozent der Deutschen investieren am Kapitalmarkt. Die Mehrheit parkt ihr Geld auf Bankkonten – zu Niedrigzinsen oder gar Negativzinsen. Doch wegen der zunehmenden Inflation verlieren sie damit ihr Vermögen. Faktoren wie das Zinsumfeld und die Pandemie sprechen dafür, dass wir mit Rückenwind rechnen können. Zudem verlieren die Menschen die Angst vor dem Digitalen. Meine eigene Mutter besuchte seit zwei Jahren keine Bankfiliale mehr. Wenn, dann will sie nun per Telefon oder Video mit den Beratern sprechen.

Die jüngsten Verluste bei Aktien wie Anleihen drohen, das zuletzt vielleicht aufgekeimte Interesse wieder zu ersticken.

Wahrendorf: Das ist zweifellos ein dickes Brett, das wir bohren müssen. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Dabei ist es egal, ob es drei, fünf oder zehn Jahre oder noch länger dauert, bis unser Angebot angenommen wird. Vanguard ist kein Start-up, das rasch Kunden gewinnen muss, um seine Kapitalgeber zufriedenzustellen. Vanguard ist ein etabliertes, genossenschaftlich organisiertes Unternehmen. Wir verfolgen eine langfristige Mission: den Menschen die Vorteile einer günstigen Geldanlage an den Kapitalmärkten nahezubringen.

Um eine breite Masse zu erreichen, bedarf es da nicht weitreichender Werbung?

Wahrendorf: Wir stellen einen signifikanten Betrag für Marketing bereit. Angesichts des Kriegs in der Ukraine erschien es uns nicht als der richtige Zeitpunkt, noch im Frühjahr vollumfänglich an die breite Öffentlichkeit zu treten. Das Angebot ist gestartet und wir nutzen die Gelegenheit, um es noch zu verfeinern. Dann legen wir richtig los. Die Kampagne reicht von Fernseh-, Print und Online-Anzeigen bis hin zu Webinaren, die einen informativen, aufklärenden Charakter haben. Wir setzen nicht auf pures Marketing, sondern wollen den Menschen die Kapitalmärkte erklären.

Anders als bei vielen anderen Anbietern kommen bei Ihrem Anlageservice nur Vanguard-Fonds zum Einsatz. Kann das ein Alleinstellungsmerkmal sein?

Wahrendorf: Es kommen nur hauseigene Produkte zum Einsatz, weil es schlichtweg gute Produkte sind. Mehr als diese Kernbausteine braucht es auch nicht. Wir verfolgen den Ansatz: "schlichte Fichte". Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Preisstruktur und die Transparenz. Zudem punkten wir mit der Sicherheit, für die Vanguard steht. Unser größtes Asset ist die Marke.

Vielen Dank für das Gespräch. (ert)