Markus Weis kennt die Asset-Management-Industrie seit mehr als 20 Jahren. 1997 stieg er als Berater beim Finanzvertrieb Tecis ein, 2002 wechselte er dann als Sales Manager zu Fidelity. Vor zehn Jahren ging er zu Goldman Sachs Asset Management, wo er achteinhalb Jahre lang den Drittvertrieb für Deutschland und Österreich verantwortete. Mit seinem jüngsten Jobwechsel blieb Weis zwar der Branche treu, entschied sich aber für einen Arbeitgeber, der neudeutsch als disruptiv gelten darf: Im Januar 2018 heuerte der 43-Jährige bei Vanguard an, um als Senior Sales Executive und Vize-Chef des Frankfurter Büros das Geschäft des US-Fondsgiganten mit Wholesale-Kunden aus Deutschland und Österreich auszubauen (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Vanguard ist kein Asset Manager wie jeder andere. Das Unternehmen gehört den Anlegern seiner US-Fonds. Das Haus muss keine Gewinne erwirtschaften. Übersteigen die Erträge aus dem Portfoliomanagement die Kosten, werden die Gebühren gesenkt, was weitere Anleger anlockt. Die kostengünstigen Fonds kommen enorm gut an, Vanguard verwaltete Ende Juni weltweit stolze 5,1 Billionen US-Dollar. Hält das jüngste Wachstum an, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Anbieter aus Pennsylvania den Branchenführer Blackrock überholt hat.

In Europa ist Vanguard noch vergleichsweise klein, doch auch auf dem alten Kontinent wächst der Anbieter rasant, nicht zuletzt dank des im Oktober 2017 erfolgten Markteintritts in Deutschland. Markus Weis stand FONDS professionell ONLINE bei einem Besuch der Redaktion in Köln Rede und Antwort.


Herr Weis, vor einem Jahr hat Ihr Unternehmen seine ETFs an die Deutsche Börse gebracht, seit Juni sind Sie offiziell mit einem Büro in Frankfurt präsent, von dem aus Vanguard den deutschen und österreichischen Markt betreut. Wie läuft das Geschäft an?

Markus Weis: Wir sind sehr positiv überrascht! Das zeichnete sich schon auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim im Januar dieses Jahres ab, damals war ich ganz neu im Unternehmen. Vanguard zahlt aus Prinzip keine Provisionen, darum waren wir zunächst nicht allzu optimistisch, was die Resonanz auf unser Angebot im deutschen Vertriebsmarkt anbelangt. Doch wir wurden von Interessenten geradezu überrannt und hatten kaum die Chance, mal unseren Stand zu verlassen. Wir führen seither zahlreiche aussichtsreiche Gespräche und konnten schon einige gute Kooperationen abschließen. Wegen der hohen Nachfrage werden wir unser Team in Frankfurt deutlich aufstocken.

Wie viele Kollegen arbeiten neben Deutschlandchef Sebastian Külps und Ihnen denn aktuell in Frankfurt?

Weis: Momentan sind wir zu viert. Ein Kollege kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit, ganz neu an Bord ist eine ETF-Spezialistin. Im kommenden Jahr planen wir, zu neunt zu sein. Ein Mitarbeiter für die Vertriebsunterstützung fängt schon bald an, die Verträge mit drei Senior-Sales-Experten sind geschlossen, sie stoßen nach und nach zu unserem Team. Dazu kommt eine Assistenz. Mit den zusätzlichen Kollegen im Vertrieb können wir künftig viel besser agieren anstatt nur zu reagieren. Momentan liegt unser Fokus noch auf großen Vermögensverwaltern, denen wir mit unseren kosteneffizienten Bausteinen ein attraktives Angebot unterbreiten können. Im nächsten Jahr können wir den Wholesale-Markt dann deutlich breiter bearbeiten. Dann richten wir uns auch verstärkt an mittelgroße Vermögensverwalter, Dachfonds, Banken, Maklerpools, unabhängige Finanzberater und die Versicherer mit ihrem Fondspolicengeschäft. Insbesondere mit Blick auf den IFA-Kanal, also die freien Berater, sind wir sehr positiv gestimmt.

Warum das? Es gibt viele Marktteilnehmer, die die IFAs mehr oder weniger schon abgeschrieben haben.

Weis: Es hat uns überrascht, wie viele Berater schon auf Servicegebühren oder Honorare setzen, also genau die Modelle, die wir unterstützen. Manche Marktteilnehmer werfen uns vor, wir würden den Vermittlern ihre Provision nicht gönnen. Aber das stimmt nicht, natürlich soll der Berater auch künftig Geld verdienen. Aber wir möchten, dass die Bezahlung des Asset Managements und der Beratung sauber voneinander getrennt sind. Wir sind überzeugt, dass die Anleger diese Transparenz zu schätzen wissen und solchen Vergütungsmodellen die Zukunft gehört.

Die Kostentransparenz ist dank Mifid II ohnehin viel höher als früher.

Weis: Davon profitieren wir enorm. Nehmen Sie als Beispiel einen Dachfondsmanager: Er steht unter hohem Druck, seine ausgewiesene Gesamtkostenquote zu senken. Dabei können wir ihm helfen, weil unsere Produkte deutlich günstiger sind als klassische, aktiv verwaltete Fonds. Zugute kommt uns auch, dass die Kosten für das Anlageergebnis in Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen werden als in der Vergangenheit. Die Zeiten des leicht verdienten Geldes sind vorbei, sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenmärkten. Wir glauben, dass an den globalen Aktienmärkten in den kommenden zehn Jahren im Schnitt realistisch nur vier bis fünf Prozent pro Jahr zu verdienen sein werden – vor Kosten. An den Rentenmärkten ist die Situation noch schwieriger, mit Papieren solider Bonität dürfen Anleger nicht mehr als ein Prozent per annum erwarten. Mehr als drei Prozent Rendite sind mit einem gemischten Portfolio, das je zur Hälfte mit Aktien und Renten bestückt ist, also kaum drin. Dann ist klar, dass zwei Prozent Gesamtkosten nicht im Sinne des Anlegers sein können.

Wenn Sie im freien Vertrieb punkten möchten, müssen Ihre Produkte auf den großen Fondsplattformen gelistet sein. Diese leben allerdings davon, dass sie einen Teil der Bestandsprovision einbehalten, was bei Vanguard-Fonds nicht möglich ist. Bieten die Plattformen ihre Fonds überhaupt an?

Weis: Viele unserer ETFs schon, denn bei den ETFs erheben die Plattformen ohnehin andere Gebühren, um ihre Kosten zu decken. Bei unseren klassischen, nicht börsennotierten Publikumsfonds ist das in der Tat eine Herausforderung. Diese sind auf den Plattformen noch nicht flächendeckend verfügbar. Aber ich gehe davon aus, dass wir auch dort in den kommenden Monaten eine Lösung finden. Wegen Mifid II steigt generell die Nachfrage nach bestandsprovisionsfreien Anteilsklassen, und darauf werden die Fondsplattformen mit neuen Preismodellen reagieren.

In den USA bietet Vanguard einen sehr erfolgreichen Robo-Berater an. Möchten Sie dieses Tool auch hierzulande anbieten?

Weis: Nein, einen Robo werden wir in Deutschland und Österreich in absehbarer Zeit nicht starten. Wir konzentrieren uns auf Intermediäre und institutionelle Investoren. Ich bin ein großer Fan der digitalen Vermögensverwaltung – die Idee ist klasse, weil sie Privatanlegern einen einfachen und kosteneffizienten Zugang zu sauber konstruierten Portfolios bietet. Die allermeisten Anleger in Deutschland und Österreich brauchen aber nach wie vor Unterstützung durch einen Berater. Das Kapitalmarktverständnis ist hierzulande noch lange nicht so ausgeprägt wie in den USA oder in Großbritannien. Der Markt der Selbstentscheider wächst zwar, ist aber immer noch vergleichsweise klein. Daher wird der Zugang zu den meisten Anlegern auch in Zukunft über Intermediäre erfolgen.

Vanguard ist genossenschaftlich organisiert. Das Unternehmen muss keine Gewinne erzielen, es gibt keine konkreten Absatzziele. Wie lässt sich der Vertrieb incentivieren, wenn solche Vorgaben fehlen?

Weis: Unser Ziel ist es, möglichst vielen Anlegern einen Zugang zu kosteneffizienten Investmentbausteinen zu bieten. Das lässt sich durchaus auf Vorgaben für Vertriebsmitarbeiter herunterbrechen. Eine Frage kann lauten, mit wie vielen Vermögensverwaltern wir gesprochen haben, um unsere Philosophie zu transportieren. Auch bei uns gibt es, wie bei einem klassischen Asset Manager, neben dem Gehalt einen Bonus. Wir haben aber eben kein hartes Absatz- oder Umsatzziel, dessen Verpassen unseren Bonus gefährdet. Im Übrigen ist nicht alles in unserer Branche bonusgetrieben. Wir haben eine Story zu erzählen, die gut ist für die Anleger – auch das gibt uns Antrieb. Vanguard macht Spaß!

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)


Ein ausführliches Firmenporträt über Vanguard lesen Sie in FONDS professionell 3/2018 ab Seite 298. Angemeldete FONDS professionell KLUB-Mitglieder können den Beitrag auch hier im E-Magazin abrufen.